Man kennt diese Aussagen von abtrünnigen Bankern, die über ihre Branche herziehen: «Mitarbeiter werden zu Nummern degradiert», Bankangestellte seien «überfordert» und «entfremdet». Die Identität des Schweizer Bankwesens verschwimme, dagegen herrschten «international orientierte Profitziele» vor. Allein, die Worte stammen nicht von einem Ex-Banker. Sondern von einer Kaderfrau, die aktuell immer noch bei einer Grossbank arbeitet.
Franca Burkhardt (33) kennt die Schweizer Bankenwelt von innen. Die studierte Soziologin und Psychologin stieg 2010 in die Welt des Geldes ein, war bei Julius Bär und der UBS tätig. Vor zwei Jahren wechselte sie zur Credit Suisse (CS). Derzeit ist sie im Team des Chief Operating Officer der Bank. Kürzlich hat sie in St. Gallen ihren Doktor gemacht – mit der Arbeit «Ehrliche Bindungen und andere Geschäfte – Die Sicherheit in Schweizer Banken».
Schweizer Grossbanken als kulturelle Fremdkörper
Die Führungsverantwortlichen in zahlreichen Banken hätten jahrelang nicht über die Organisationskultur nachgedacht und stünden heute vor riesigen Herausforderungen, sagte Burkhardt der Online-Plattform «Finews» im Gespräch über ihre Dissertation. Im grenzüberschreitenden Wettbewerb würden Schweizer Geldhäuser ihre Identität verlieren.
«Speziell Schweizer Grossbanken riskieren vor lauter Bemühung um internationalen Erfolg, immer mehr zu einem kulturellen Fremdkörper zu werden», bilanziert Burkhardt.
Burkhardt: «Gestandene Manager wissen nicht mehr weiter»
Kader wie normale Mitarbeiter leiden darunter. Sie habe «gestandene Manager» gesehen, «die nicht mehr weiter wissen». Wird umstrukturiert, würden Mitarbeitende kaum angehört. «Sie werden zu Nummern degradiert, ohne Chance, etwas verändern zu können», sagt Burkhardt.
Die Mehrheit dieser Mitarbeiter habe nichts mit gierigen Bankern zu tun – «selbst wenn es solche gibt und diese sicher viel Einfluss haben».
Schweizer Banken wie die untergehende Titanic
Burkhardt hatte in ihren Interviews, die sie für ihre Doktorarbeit führte, Bankangestellte auch zu deren Identifikation mit ihrem Arbeitgeber befragt. Früher hätten die meisten Mitarbeiter aller Schweizer Banken an ihre Führung – die «Kapitäne» – geglaubt.
Man sei stolz gewesen, unter einer Flagge ans Ziel zu segeln. Heute gebe es nur gewisse Banken mit einer gemeinschaftlichen Zukunftsperspektive, so Burkhardt. «Andere ‹Kapitäne› scheinen bei ihren Mitarbeitern eher den Eindruck zu vermitteln, sie befänden sich auf der Titanic», sagt Burkhardt. Ein düsteres Bild: Das als unsinkbar geltende Passagierschiff lief 1912 auf einen Eisberg auf und ging unter. (grv)