Neun Jahre. So lange kann Franz Julen (61) noch Präsident der Zermatt Bergbahnen sein – sofern die Aktionäre ihm weiterhin vertrauen. Dann fällt die Altersguillotine. Bis dahin will er noch einiges bewegen. Julen denkt den Tourismus oberhalb von Zermatt neu. Die Bergbahnen investieren einen dreistelligen Millionenbetrag in der Matterhorn-Region. Auf mindestens 150 Millionen Franken summieren sich die Ausgaben bis 2025, sagt er zu BLICK bei der Fahrt in der Gondel.
Dafür gibt es von der italienischen Seite her eine weitere Bahn auf das Klein Matterhorn. Damit Zermatt VS ganzjährig mit Italien verbunden ist und die Alpen in Turnschuhen überquert werden können. Angedacht ist ausserdem ein Sommerskiparadies für Gäste aus dem arabischen oder asiatischen Raum. «Diese Projekte werden ein Vermächtnis für die nächsten zwei bis drei Generationen sein», so Julen.
Es ist die grösste Investition in der jüngeren Geschichte von Zermatt. Ein Wettbewerb um die Inszenierung der neuen Tourismuswelt läuft. Julen will die Touristen aus dem asiatischen Raum, die bislang eher auf den Zentralschweizer Titlis fuhren, ins weiter entfernte Zermatt ins Wallis locken. Dafür muss er aber deutlich mehr bieten als nur erstklassigen Schnee. Agenturen wie Steiner Sarnen oder Quant sind eingeladen, Projekte einzureichen. Sie haben bereits das Bild am Pilatus, auf dem Jungfraujoch oder dem Gornergrat geprägt.
Anfänger-Skigebiet auf dem Gletscher
Die bestehende Infrastruktur auf der höchsten Bergbahnstation Europas soll massiv ausgebaut werden. Das ist das Kernstück der neuen Strategie. Geplant sind unter anderem eine Aussichtsplattform, ein Restaurant im Berg und andere Attraktionen. Auf knapp 3900 Meter über Meer. Direkt neben dem ewigen Eis. «Eine Balance zwischen Kommerz und Demut vor der Natur» sei angestrebt, sagt Julen. Mit dem Landschaftsschutz wird nach einvernehmlichen Lösungen gesucht.
Einige Hundert Meter unter dem Klein Matterhorn soll ausserdem ein Sommerskigebiet für Anfänger entstehen. Mit einem Sportfachhandel, der Socken, Handschuhe, Helm, Jacke und Ski verleiht. Skilehrer sollen den Gästen aus aller Welt die Grundlagen des Schneesports beibringen. «Touch the Snow» heisse das Projekt, sagt der 61-Jährige.
Julen hat selbst in der Region das Skifahren gelernt. Im Sommer trainierte er mit seinem drei Jahre jüngeren Bruder Max (58) unterhalb des Theodulgletschers. Max avancierte schliesslich zum Skirennfahrer und holte Olympiagold in Sarajevo 1984. Franz Julen war der Servicemann. «Das ist ein unvergesslicher Tag», sagt er heute. Es sei der Ausgangspunkt seines beruflichen Werdegangs gewesen.
Das Matterhorn als Symbol
Julen avancierte in der Folge zum Manager seines Bruders, tourte jahrelang mit Pirmin Zurbriggen (56) und anderen Skilegenden um die Welt. Er heuerte in einer Sportvermarktungsfirma an, nahm Vreni Schneider (55) unter Vertrag. Es folgten Stationen bei Völkl und Intersport. Er wurde zu einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Personen im Sportartikelgeschäft, traf Staatsoberhäupter und Sportlegenden.
Ein Trikot mit der Unterschrift von Fussballstar Lionel Messi (32) und einen Schuh des legendären Sprinters Usain Bolt (33) hütet er bis heute wie einen Schatz in seinem Zuhause.
Im Herzen blieb der Vielgereiste mit Zuger Wahlheimat aber Oberwalliser. Das Matterhorn, das ihm in der Jugend nichts bedeutet hat, wuchs zum mächtigen Symbol. Und als vor wenigen Jahren die Anfrage der Zermatt Bergbahnen kam, zögerte Julen keinen Moment. Er nahm das Amt an. Es war eine Herzensangelegenheit.
Mittlerweile hat er die erste Generalversammlung hinter sich. Julen fällte unpopuläre Entscheide. So strich er den auswärts wohnenden Zermatter Burgern die Vergünstigung für das Saisonabo. Das Gros seiner Arbeit wird aber positiv quittiert.
Julen wird allerorts angesprochen. Er grüsst freundlich und hat immer Zeit für einen Schwatz mit alten Bekannten. Ein einfacher Bergbahnangestellter teilte einst die Schulbank mit Julen in der Primarschule. Die beiden haben noch heute Kontakt.
«Es ist ein Verdrängungswettbewerb»
Julens Vision für Zermatt ist einfach. Er will die Attraktivität im Winter steigern. «Der Schneesport wächst nicht mehr, aber wir werden weiter investieren», sagt er. «Es ist ein Verdrängungswettbewerb.» Zermatt stehe in Konkurrenz mit Südtirol, Frankreich und Italien. «Wir glauben stark an den Wintersport», so Julen. «Wir werden keinen Millimeter nachgeben.»
Im Sommer will Julen künftig ein Drittel des Umsatzes erwirtschaften. Aktuell sind es erst ein Viertel. «Wir haben ein Riesenpotenzial beim Klein Matterhorn», sagt Julen. «Darum haben wir jetzt eine neue Bahn gebaut. Eine zweite folgt. Alleine die Kosten der beiden Bahnen belaufen sich auf knapp 100 Millionen Franken.»
Ein Billigpreisangebot wie im Nachbargebiet Saas-Fee aber wird es in Zermatt nie geben. Julen fährt eine Hochpreisstrategie. Im Sommer wie im Winter. Deshalb haben die Bergbahnen zuletzt auch die Preisstruktur geändert. Im vergangenen Jahr gab es das Skiticket online mit fünf Prozent Rabatt. Jede dritte Tageskarte ging in der Folge über die virtuelle Theke. Den Bergbahnen ging ein sechsstelliger Betrag verloren. «Das hätte ich nie gedacht», sagt Julen. «Jetzt gibt es Rabatte nur noch für Mehrtageskarten», sagt Julen. «Wir wollen die Wertschöpfung der örtlichen Betriebe fördern.»