Bei Beat Bösiger (47) wächst das Gemüse vollautomatisch
Digitaler Bauer

In Niederbipp BE steht eines der modernsten Gewächshäuser der Schweiz. Gemüseproduzent Beat Bösiger (47) kann seinen Betrieb per App steuern. Ganz ohne Angestellte geht es aber doch nicht.
Publiziert: 11.08.2017 um 00:03 Uhr
|
Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:38 Uhr
Besuch beim digitalen Tomaten-Gewächshaus
--:--
Wie man via App einen ganzen Betrieb steuern kann!Besuch beim digitalen Tomaten-Gewächshaus
Patrik Berger

Schweizer Bauern haben den Ruf, Neuem gegenüber skeptisch zu sein. Und dem Subventionstopf stärker zugeneigt als technischen Innovationen. Dieses oft bemühte Klischee widerlegt Beat Bösiger (47), Gemüseproduzent aus Niederbipp BE. 

Er sitzt in seinem Büro und hat auf einem Bildschirm seinen ganzen Betrieb im Blick. Per App kann er jederzeit das Klima in den Gewächshäusern regulieren, die Bewässerung steuern oder die Luftfeuchtigkeit regeln. Er weiss jederzeit, wo seine Lastwagen gerade im Stau stehen. Um die Bestelleingänge zu checken, genügt ein Klick.

Digitalisierung als Chance

«Die Digitalisierung ist eine grosse Chance für uns. Nur so können wir Schweizer gegen die grossen Gemüsebauern in Holland oder Belgien bestehen», sagt er. Pro Jahr investiert Bösiger zwischen einer und drei Millionen Franken in seinen Betrieb. Etwa in Maschinen, die Cherrytomaten fast aufs Gramm genau sortieren, dann verpacken und etikettieren. Oder in eine Maschine, die im Jahr eine Million zusammengeklappte Gemüsekisten für die nächste Lieferungen bereitstellt.

«100'000 Franken hat mich das Ding gekostet», sagt er. Und fügt an: «In einem Jahr habe ich die Investition amortisiert. Die Personalkosten sind in der Schweiz für solch einfache Aufgaben schlicht zu hoch.» Wie von Geisterhand gesteuert, fahren mit Tomaten gefüllte Wägeli durch die Hallen. Dem grössten Zweifler wird spätestens jetzt klar: Die Digitalsierung ist in der Landwirtschaft angekommen.

Autonome Wägeli fahren durchs Gewächshaus.
Foto: Thomas Meier

Bösiger ist ein Grosser der Branche. Er bepflanzt 150 Hektaren unter freiem Himmel, hat Gewächshäuser von zwölf Hektar Grösse. Auf acht davon produziert er ausschliesslich Tomaten. Das sind pro Jahr stolze 4000 Tonnen. Er beliefert die beiden grossen Schweizer Detailhändler Migros und Coop sowie Volg, Grosshändler, Marktfahrer. Und er führt – «aus purer Freude», wie er sagt – im Dorf einen Hofladen.

Rispentomaten kann kein Roboter pflücken

Ganz ohne Angestellte geht es dann aber doch nicht. «Es gibt keinen Roboter, der Rispentomaten pflücken kann, das ist Handarbeit», sagt Bösiger. «Und auch ein einzelnes gelbes Blatt in einem Kopfsalat erkennt keine Maschine.» In der Hochsaison arbeiten 180 Leute für den Gemüsegärtner, der sechs Lehrlinge ausbildet. Im Winter, wenn vor allem Salat angebaut wird, sind es 80. Für die Saisonniers hat er zwei Häuser mit 64 Betten gebaut. «Viele kommen seit Jahren immer wieder zu uns. Auch Ehepaare. Der Mann arbeitet auf dem Feld, die Frau im Gewächshaus. Das ist ideal.»

Und auch Mutter Natur hat – trotz aller Digitalisierung – ein gewichtiges Wörtchen mitzureden: 5000 Hummeln kümmern sich um die Bestäubung der Tomatenblüten. Nützlinge sorgen dafür, dass es den Schädlingen in den Gewächshäusern nicht zu wohl wird. «So können wir grösstenteils auf Chemie verzichten», sagt Bösiger. 

Gestern Pferde, heute satellitengesteuerte Traktoren

Die Frage, wohin die ganze Technologisierung noch führe, bringt ihn kurz ins Grübeln. «Vor 40 Jahren hat mein Vater Peter (72) die Felder noch mit Pferd und Pflug bestellt. Ich mache es heute mit satellitengesteuerten Traktoren.» Auch die dritte Generation ist bereits im Betrieb integriert. Sohn Philipp (20) setzt seit zwei Jahren voll auf Bio. «Ich bin stolz auf ihn, für einen Vater ist es das Grösste, wenn der Betrieb in der Familie bleibt», sagt Beat Bösiger. 

«Noch bin ich hier am Ruder, die Arbeit macht mir noch viel zu grosse Freude, als dass ich auch nur einen Moment lang ans Aufhören denke», sagt er und lacht. Selbst wenn er zuweilen auch am Sonntag auf einer Wanderung kurz auf der App checkt, ob im Betrieb alles in Ordnung ist. «Auch das gehört halt zur Digitalisierung.»

1/2
Beat Bösiger muss nur selten selbst Hand anlegen – so, wenn die Tomaten gepflückt werden müssen.
Foto: Thomas Meier
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.