Nervosität bei Raiffeisen. BLICK durfte heute Morgen im Zürcher Hotel Park Hyatt nur die Pressekonferenz live übertragen. Bei der Fragerunde der Journalisten herrschte Kameraverbot. Fürchtet man Kritik so sehr?
Vor dem Anlass zeigt sich CEO Patrik Gisel (55) angespannt. «Ah, Sie sind der Livetickerer», sagte er, als wir uns auf der Herrentoilette über den Weg liefen.
IMAGE-ERROR (Image)Doch nicht nur die Affäre Vincenz plagte Gisel, sondern auch eine Grippe. Kurz vor seiner Rede musste er noch Medis schlucken. «Ich stelle Ihnen meinen Stellvertreter vor, vielleicht muss ich krankheitshalber an ihn übergeben.»
Die Raiffeisen ist kein Staatsanwalt
Dann kamen doch ein paar dürre Infos zu seinem Vorgänger Pierin Vincenz, der noch in seiner Zelle sass. «Ich bin erschüttert über die Ereignisse», schliesslich hätte er lange mit Vincenz zusammengearbeitet. Klar hätte man die Vorwürfe untersucht, «aber wir haben nicht die Brille eines Staatsanwalts gehabt».
Nun sei klar: «Die Verdachtsmomente sind alarmierend.» Sind Kunden oder die Bank zu Schaden gekommen? «Wir haben alles überprüft. Direkte Schäden wegen der Investitionen in Investnet sind nicht aufgetreten, wie ich es verstehe. Es geht um Privatbereicherung.»
Das ärgert viele kleine seriöse Raiffeisenbanken in den Regionen. Sie fürchten ums gute Image. Gisel sagt dazu in der Fragerunde: «Wir selber haben lange nichts gewusst. Und jetzt geben wir die Informationen raus, die wir können.»
Kein Interesse für Glanz-Resultat
Dann kommt die Raiffeisen-Pressechefin und fragt, ob denn niemand eine Frage zur Bilanz habe?
Nein! Es geht allen um den Bschiss. Nun steht Gisel im Zentrum: Zieht er persönliche Konsequenzen? «Wir haben enorm viel an Entflechtungsarbeit geleistet, um Interessenkonflikte zu vermeiden.» Und: «Ich trete ganz sicher nicht zurück.»
Der kritische Bankenprofessor Hans Geiger macht hier eine andere Prognose: «Er wird nicht kündigen, aber vielleicht kündet der Verwaltungsrat ihm», sagt er zu BLICK. «Wenn Raiffeisen kein Ersatzpersonal hat, wird Gisel sicher in drei Monaten noch im Amt sein – aber in einem Jahr nicht mehr.»
Bei Gisel sehe er zwar keinen Strafrechtsfall, «aber Gisel war einfach zu lange mit Vincenz verbandelt.»
Auch Johannes Rüegg-Stürm, dem unsichtbaren Raiffeisen Verwaltungsratspräsidenten, fährt Geiger an den Karren. «Es ist unglaublich, dass sich Präsident Stürm noch nie richtig geäussert hat.» Der sei ja ein Professor an der renommierten HSG. «Und eigentlich sind Professoren gescheit», sagt Geiger. Und lacht. Schliesslich ist er selber Professor.
Ach ja, die Zahlen: Raiffeisen hat letztes Jahr 917 Millionen Franken Gewinn gemacht. Rekord!
PS: Unten der Liveticker von Freitagmorgen zum Nachlesen: