Fabrice Zumbrunnen (49) wurde diese Woche zu Fabrice «Zumverkaufen». Der Migros-Chef warf am Donnerstag vier etablierte Verkaufsketten auf den Markt – der Vorstoss kam aus dem Nichts. Die in Ungnade gefallenen Tochterunternehmen passten nicht zur «Migros-DNA», wie die Migros-Gruppe mitteilt. Sie seien woanders besser aufgehoben.
Ein solches Vorgehen ist äusserst ungewöhnlich. «Normalerweise bereitet man einen massgeschneiderten Verkaufsprozess in Ruhe vor und geht dann mögliche Interessenten direkt und auf vertraulicher Basis an», sagt Cédric Vollmar vom Luzerner Beratungsunternehmen Hitz & Partner.
«Nicht die attraktivsten Assets»
Laut ihrem Direktor Zumbrunnen ist die Migros zuversichtlich, Käufer zu finden. Im Verlauf des Jahres 2020 wolle man Namen präsentieren. Doch Zweifel sind angebracht. Einerseits deute der rasche Verkauf darauf hin, dass die Migros nicht auf maximalen Gewinn aus sei, so Finanzexperte Vollmar. «Andererseits ist es auch ein Zeichen dafür, dass es nicht die attraktivsten Assets sind, welche die Migros verkaufen will.»
Das räumen die Migros-Verantwortlichen sogar offen und ehrlich ein. Der Markt für Interio habe sich «brutal entwickelt», sagte Zumbrunnen. Und auch bei Globus räumten sie grosse Probleme ein. «Die IT ist veraltet.»
Investitionen von mindestens 100 Millionen Franken seien nötig.
Niemand ist sicher vor Totalabsturz
«Für M-Way wird man wohl einen Käufer finden. Aber für Depot, Interio und Globus wird es schwierig», sagt Marco Geu, Detailhandelsspezialist der Gewerkschaft Syna. Selbst ein Kaufinteressent sei noch kein Grund zum Jubeln: «Der Non-Food-Bereich im Detailhandel ist brutal. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu einem nächsten OVS kommt – inklusive Massenentlassungen.»
Das Schicksal der Kleiderkette OVS steckt der hiesigen Detailhandelsbranche noch in den Knochen. Ihre Pleite führte allen vor Augen, dass nichts und niemand mehr vor dem Totalabsturz sicher ist. Und auch dort war die Migros involviert. Der orange Riese besass Anteile an der Charles Vögele AG, die 2016 zu OVS wurde. Insider schätzen, dass die Migros mit dieser Beteiligung 100 Millionen Franken verlochte. Die Rede ist vom schlechtesten Migros-Investment aller Zeiten.
Die italienischen OVS-Besitzer wiederum waren ohne Kenntnis des hiesigen Markts in die Schweiz gekommen. Sie hielten nur eineinhalb Jahre durch. 2018 machten 130 Filialen dicht, mehr als tausend Angestellte verloren ihren Job.
Vielleicht ist es auch diese Erfahrung, welche die Migros nun dazu bewog, einen Schlussstrich zu ziehen. «Es ist neu, dass sie dieses Sitzleder nicht mehr hat», bemerkt Gewerkschafter Geu. «Wenn sich die Migros ein defizitäres Standbein nicht mehr leisten kann, können es andere noch weniger.»
«Mittelfristig rechnen wir mit Entlassungen»
Sicher ist: Wer immer sich eine der nun zum Verkauf stehenden Firmen schnappt, muss möglichst schnell in die Gewinnzone zurück. «Das geht nicht ohne Restrukturierungen, wohl auch zulasten des Personals. Mittelfristig rechnen wir mit Entlassungen» , sagt Geu. Unternehmensberater Vollmar ist ebenfalls skeptisch: «Die Migros als grosses Konglomerat konnte bereits auf beträchtliche Synergien zurückgreifen. Umso mehr wird sich ein potenzieller Interessent gut überlegen, ob er das Geschäft nachhaltig erfolgreich betreiben kann.»
CEO Zumbrunnen machte bereits klar: Wichtiger als ein möglichst hoher Verkaufspreis sei, dass die Geschäfte bei Globus, Interio, Depot und M-Way weitergeführt werden. Er und die neue Migros-Präsidentin Ursula Nold (50) – sie hat morgen ihren ersten Arbeitstag – werden künftig auch daran gemessen, wie sie diese Verkäufe abwickeln.
Denn es hängen mehrere Tausend Arbeitsplätze davon ab.