Funkstille bei Schweizer Spitzen-Pharma
Darum kümmert Roche und Novartis das Coronavirus nicht

Weltweit forschen Pharmaunternehmen mit Hochdruck nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Nicht so die Basler Pharmamultis Roche und Novartis. Die Gründe.
Publiziert: 05.03.2020 um 12:26 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2020 um 14:22 Uhr
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Das Coronavirus lähmt die Welt. Ein Impfstoff existiert nicht.
Foto: Keystone
Sven Zaugg, Christian Kolbe

3000 Tote, 100'000 Infizierte und eine befürchtete Dunkelziffer, die sogar Virologen Schweissperlen auf die Stirn treibt. Das Coronavirus lähmt die Welt. Die Lage sei ernst, betont derweil das Bundesamt für Gesundheit. Ein Impfstoff existiert nicht.

Dennoch keimt etwas Hoffnung: Ein israelische Forscherteam hat angeblich einen Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden. Auch der US-Multi Johnson & Johnson, die amerikanische Biotechfirma Moderna sowie der französische Pharmakonzern Sanofi forschen nach eigenen Angaben mit Hochdruck an einem heilsamen Mittel gegen die Lungenkrankheit.

Und Gilead Sciences mit Sitz im kalifornischen Foster City soll mit dem Präparat Remdesivir, das eigentlich gegen Ebola entwickelt wurde, einen Corona-Killer gefunden haben.

Funkstille aus Basel

Derweil herrscht auf dem Basler Pharmaparkett Stille. Die grossen Abwesenden im Kampf gegen Corona: Roche und Novartis. Die Pharmariesen haben sich komplett aus der Impfstoffherstellung zurückgezogen. Stattdessen scheffeln die Unternehmen mit komplexen Therapien Milliarden und sorgen mit exorbitanten Medikamentenpreisen für Unmut.

Novartis verkaufte bereits 2014 das Impfstoffgeschäft für 7,1 Milliarden Dollar an den britischen Konzern GlaxoSmithKline. «Der Entscheid erfolgte aus der strategischen Überlegung heraus, sich auf diejenigen Bereiche zu fokussieren, wo Novartis marktführend war. Dies war bei den Impfstoffen ganz klar nicht der Fall», sagt Novartis-Sprecher Daniel Zehnder.

«Somit besitzt Novartis keine Fähigkeiten und Expertise mehr in der Impfstoffforschung und-herstellung, und ist leider nicht in der Lage, hierzu viel beizusteuern», sagt Tobias Handschuh, Pharma-Spezialist beim Beratungsunternehmen Ernst & Young.

Roche mit Schnelltests

Bei Roche hat das Impfstoffgeschäft nie eine entscheidende Rolle gespielt. Bei der Diagnostik des Virus hingegen leistet das Unternehmen einen Beitrag. «Roche hat umgehend auf den Ausbruch des Coronavirus reagiert und diagnostische Tests, medizinische Hilfsmittel und Geld für die betroffene Region in China gespendet», sagt Roche-Sprecher Karsten Kleine.

Die Abkehr vom Impfstoffgeschäft bei den Basler Multis ist allen voran wirtschaftlichen Interessen geschuldet. «Novartis fokussiert sich immer stärker auf Onkologie, Gentherapie und seltene Krankheiten», sagt Pharma-Spezialist Handschuh. Roche habe sich auf dem Gebiet der Onkologie und begleitenden Diagnostik etabliert.

Dabei spielen die Preise für die von den Multis hergestellten komplexen Therapien und Präparate eine entscheidende Rolle: Allein die Gentherapie Zolgensma von Novartis kostet knapp 2,1 Millionen Franken. Damit lässt sich – im Vergleich zu Impfungen – gutes Geld verdienen.

Kein Verlass auf Big Pharma

«Die Preise pro Impfdosis sind trotz den hohen Anforderungen tief», sagt Marcel Sennhauser, stellvertretender Direktor des Pharma-Dachverbands Scienceindustries. Dies sei mit ein Grund, weshalb sich Schweizer Pharmaunternehmen von der Impfstoffmedikamentenforschung und -entwicklung abgewandt hätten.

Das sieht auch Patrick Durisch so, wenn auch mit anderen Vorzeichen. «Monopolstellungen mit hohen Preisen wie etwa bei Krebstherapien sind deutlich attraktiver für die Pharmamultis», sagt der Gesundheitsexperte bei der Nichtregierungsorganisation Public Eye. Es zeige, dass man sich in solchen Krisen nicht auf Big Pharma verlasse könne.

Ein Milliardenmarkt

Dominiert wird der Markt von den weltweit grössten Impfstoffherstellern, die gleichzeitig auch auf dem Gebiet forschen. Dabei ist eine kritische Grösse entscheidend: GlaxoSmithKline, Merck & Co, Pfizer und Sanofi generieren mit Impfungen Umsätze von jeweils über fünf Milliarden Dollar.

«Das Geschäftsmodell in diesem Markt erfordert eine bestimme Grösse, um erfolgreich und effizient in der Forschung und im Vertrieb zu sein», sagt Pharmaspezialist Handschuh. Erst dann sei der Markt mit einem jährlichen Volumen von 40 Milliarden Dollar und einem Wachstum von durchschnittlich sieben Prozent attraktiv.

Roche-Mittel birgt Hoffnung

Actemra heisst das Mittel, das Coronavirus-Patienten das Leben retten soll. Dabei handelt es sich um ein Arthritismittel des Schweizer Pharmakonzerns Roche. Chinas nationale Gesundheitsbehörde genehmigt nun den Einsatz des Medikaments bei schweren, durch das Coronavirus ausgelösten Lungenschäden mit erhöhtem Interleukin-6-Wert.

Laut Roche könnte Actemra helfen, Entzündungen, auf die der erhöhte Wert hinweist, einzudämmen. Klinische Belege zur Wirksamkeit des Mittels bei Coronavirus-Patienten gibt es bislang nicht. Im Februar lancierten Forscher in China jedoch eine Studie zur Behandlung von Coronavirus-Patienten mit Actemra. Diese Studie soll Roche zufolge die Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments im Kampf gegen das Virus nachweisen.

Der Pharmakonzern Roche hat nach eigenen Angaben seit Februar Actemra im Wert von umgerechnet rund zwei Millionen Dollar nach China gespendet.

«Man sieht einen Hoffnungsschimmer am Horizont», sagt Felix Gutzwiller (72) zu BLICK. Für den Mediziner und Politiker macht es Sinn, dass die Wirksamkeit bereits bekannter Medikamente gegen das Coronavirus getestet wird. «Die Entwicklung eines neuen Medikamentes kostet sehr viel Zeit und Geld.» (SDA/koh)

Actemra heisst das Mittel, das Coronavirus-Patienten das Leben retten soll. Dabei handelt es sich um ein Arthritismittel des Schweizer Pharmakonzerns Roche. Chinas nationale Gesundheitsbehörde genehmigt nun den Einsatz des Medikaments bei schweren, durch das Coronavirus ausgelösten Lungenschäden mit erhöhtem Interleukin-6-Wert.

Laut Roche könnte Actemra helfen, Entzündungen, auf die der erhöhte Wert hinweist, einzudämmen. Klinische Belege zur Wirksamkeit des Mittels bei Coronavirus-Patienten gibt es bislang nicht. Im Februar lancierten Forscher in China jedoch eine Studie zur Behandlung von Coronavirus-Patienten mit Actemra. Diese Studie soll Roche zufolge die Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments im Kampf gegen das Virus nachweisen.

Der Pharmakonzern Roche hat nach eigenen Angaben seit Februar Actemra im Wert von umgerechnet rund zwei Millionen Dollar nach China gespendet.

«Man sieht einen Hoffnungsschimmer am Horizont», sagt Felix Gutzwiller (72) zu BLICK. Für den Mediziner und Politiker macht es Sinn, dass die Wirksamkeit bereits bekannter Medikamente gegen das Coronavirus getestet wird. «Die Entwicklung eines neuen Medikamentes kostet sehr viel Zeit und Geld.» (SDA/koh)

Coronavirus

Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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