400'000 Fr für Gamer – während Hunderte um ihren Job zittern
Postfinance finanziert Kriegs-Spieler

Fünf Gamer dürfen ein Jahr lang auf Kosten der Posttochter zocken. Ein teures Experiment. Angestellte der Postfinance, die Angst um ihren Job haben, sind erzürnt. Jetzt schaltet sich die Politik ein.
Publiziert: 21.07.2018 um 13:12 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:17 Uhr
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Postfinance bietet fünf jungen Erwachsenen die Chance, sich während eines Jahres «unter professioneller Leitung» im Computerspiel «League of Legends» an die europäische Spitze zu zocken.
Foto: ZVG
Sven Zaugg

Die Postfinance möchte nach eigenen Angaben bis Ende 2020 die führende digitale Bank der Schweiz werden, zum «Digital Powerhouse», wie Chef Hansruedi Köng (51) gerne betont. Dafür lassen sich die digitalen Strategen der Staatsbank auf immer sonderbarere Experimente ein. 

Der neuste Wurf, der die Finanzdienstleisterin mit 3950 Angestellten ins digitale Zeitalter katapultieren soll, ist die Gründung eines E-Sport-Teams. Die Bank bietet fünf jungen Erwachsenen die Chance, sich während eines Jahres «unter professioneller Leitung» im Computerspiel «League of Legends» an die europäische Spitze zu zocken. Dabei handelt es sich um ein Online-Kriegsspiel, in dem sich Fantasiefiguren gegenseitig die Köpfe einschlagen.

Kostspieliges Experiment

Der Plan: Chef Köng finanziert fünf Spielern ein Jahr lang das Leben inklusive eines monatlichen Gehalts von je 2500 Franken. Alleine das «Salär» beläuft sich damit auf 150’000 Franken. Zudem dürfen die Auserwählten in einem Haus mit voll ausgestattetem Trainingsraum logieren und werden von einem Coach und Beratern betreut. Geschätzte Kosten für Infrastruktur, Betreuung und Salär: mindestens 400'000 Franken.

Das Experiment soll laut Postfinance die «strategische Transformation zur führenden digitalen Bank der Schweiz unterstützen». Konkret: «Wir wollen mit unserem digitalen Experiment wertvolle Erfahrungen sammeln und junge, digital affine Kunden ansprechen», sagt Sprecher Johannes Möri. Die Kosten des Experiments wolle man «Schritt für Schritt» transparent ausweisen. Exakte Zahlen nennt er nicht.

Radikaler Stellenabbau bei der Postfinance

Bereits im Juni kündigte die Postfinance den Abbau von 500 Vollzeitstellen bis Ende 2020 an. Laut Gewerkschaften müssen über 1000 Mitarbeiter um ihre Stelle bangen. Zwei Drittel davon sollen über natürliche Fluktuation wie etwa Frühpensionierung erreicht werden. Aber: «Wir werden nicht darum herumkommen, auch Kündigungen auszusprechen», sagte Postfinance-Chef Hansruedi Köng (51). Die Finanztochter der Post begründet diesen drastischen Schritt mit der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen. Gleichzeitig leidet Postfinance unter sinkenden Zinserträgen.

Bereits im Juni kündigte die Postfinance den Abbau von 500 Vollzeitstellen bis Ende 2020 an. Laut Gewerkschaften müssen über 1000 Mitarbeiter um ihre Stelle bangen. Zwei Drittel davon sollen über natürliche Fluktuation wie etwa Frühpensionierung erreicht werden. Aber: «Wir werden nicht darum herumkommen, auch Kündigungen auszusprechen», sagte Postfinance-Chef Hansruedi Köng (51). Die Finanztochter der Post begründet diesen drastischen Schritt mit der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen. Gleichzeitig leidet Postfinance unter sinkenden Zinserträgen.

Ein teures Experiment und eine Ohrfeige für die 1000 Angestellten, die um ihren Job bangen. Im Juni kündigte die Postfinance einen Abbau von 500 Vollzeitstellen bis Ende 2020 an. Die Verunsicherung ist gross: «Wir haben Angst, unsere Stelle zu verlieren und der Chef lässt sich auf solch absurde Experimente ein», sagt ein Deutschschweizer Postfinance-Angestellter, der wie seine Kollegen in diesem Artikel anonym bleiben will, zu BLICK.

Ein Schlag ins Gesicht der Angestellten

Ein anderer Mitarbeiter sagt: «Die Postfinance hat die Digitalisierung verpennt, jetzt muss die Führung solchen Mist durchboxen.» Köng habe komplett die Bodenhaftung verloren. Auch in der Romandie stösst das Computer-Experiment vielen sauer auf. «Es kann nicht sein, dass man fünf Gamern Hunderttausende Franken nachwirft und treue Angestellte, viele von ihnen mit Kindern, ihre Jobs verlieren», sagt eine Angestellte.

Christian Capacoel von der Gewerkschaft Syndicom spricht von «einem Schlag ins Gesicht» der Angestellten. «Während Hunderte Mitarbeitende um die wirtschaftliche Existenz fürchten, vergnügt sich die Führung mit einem Kriegsspiel!» Bei den Lohnverhandlungen habe man bis vor die Schlichtungsstelle gehen müssen, sagt Capacoel, «bis die Angestellten ihre verdiente Lohnerhöhung erhielten». 

Politik beschäftigt sich mit dem Fall

Selbst der Postfinance ist bei diesem Experiment nicht ganz wohl: «Selbstverständlich sind wir uns bewusst, dass dieses Experiment gerade im Licht des geplanten Stellenabbaus Fragen aufwerfen kann», sagt Sprecher Möri. Er betont, dass für das Experiment keine zusätzlichen Mittel gesprochen wurden. Man habe das Sponsoring-Budget in den letzten Jahren sogar deutlich reduziert.

Ein trauriges Game

Kommentar von Wirtschaftsredaktor Patrik Berger

Es ist löblich, dass Postfinance versucht, die smartesten Köpfe ins Haus zu holen, sich als attraktiver Arbeitgeber präsentiert. Bloss: Die Staatsbank ist dabei, gehörig vom Weg abzukommen. In Zeiten, wo Hunderte verdienter Angestellter um ihren Job zittern, auf ein dermassen teures Kriegsspiel-Projekt zu setzen, zeugt von mangelndem Feingefühl.

Die Postfinance-Leute haben Angst davor, die Hypothek für ihr Häuschen nicht mehr zahlen zu können. Oder wohl oder übel einen Job annehmen zu müssen, den ihnen Postfinance anbietet – 100 Kilometer weg von Frau und Kindern, zu einem tieferen Lohn. Nachvollziehbar, dass sie sich von der Postfinance-Führung im Stich gelassen fühlen und deren Game-Offensive nicht goutieren.

Und als Kunde der Postfinance? Da erwarte ich, dass die Staatsbank sorgsam mit dem Ersparten umgeht. Ich will nur gut beraten werden – und zwar von ganz normalen, ruhig auch etwas konservativen Bankern. Nicht von irren Nerds, die sich ein Jahr lang virtuell die Köpfe einschlagen.

Kommentar von Wirtschaftsredaktor Patrik Berger

Es ist löblich, dass Postfinance versucht, die smartesten Köpfe ins Haus zu holen, sich als attraktiver Arbeitgeber präsentiert. Bloss: Die Staatsbank ist dabei, gehörig vom Weg abzukommen. In Zeiten, wo Hunderte verdienter Angestellter um ihren Job zittern, auf ein dermassen teures Kriegsspiel-Projekt zu setzen, zeugt von mangelndem Feingefühl.

Die Postfinance-Leute haben Angst davor, die Hypothek für ihr Häuschen nicht mehr zahlen zu können. Oder wohl oder übel einen Job annehmen zu müssen, den ihnen Postfinance anbietet – 100 Kilometer weg von Frau und Kindern, zu einem tieferen Lohn. Nachvollziehbar, dass sie sich von der Postfinance-Führung im Stich gelassen fühlen und deren Game-Offensive nicht goutieren.

Und als Kunde der Postfinance? Da erwarte ich, dass die Staatsbank sorgsam mit dem Ersparten umgeht. Ich will nur gut beraten werden – und zwar von ganz normalen, ruhig auch etwas konservativen Bankern. Nicht von irren Nerds, die sich ein Jahr lang virtuell die Köpfe einschlagen.

Der Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (54) schüttelt nur den Kopf: Wütende Angestellte aus Yverdon VD, Sion und La Chaux-de-Fonds NE hätten sich gemeldet. «Sie können nicht begreifen, warum die Postfinance Geld für solche Experimente ausgibt und zugleich Mitarbeiter auf die Strasse stellt.» In der Herbstsession will er eine Interpellation einreichen. Er will wissen, ob solche Experimente zum Kerngeschäft der Postfinance gehören.

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