Wie die Mafia in der Schweiz ihr schmutziges Geld wäscht
Pasta, Pizza und Paten

Die Mafia wäscht ihr schmutziges Geld in der Schweiz. Ermittlungsakten aus Italien zeigen nun, wie die Mafia dabei vorgeht.
Publiziert: 30.09.2018 um 20:43 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:08 Uhr
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Geldwäsche in der Schweiz: Die 'Ndrangheta betreibt hier Restaurants und tätigt Immobilien-Geschäfte.
Foto: Getty Images
Cyrill Pinto

Vor knapp einem Jahr schlug die Polizei in einer koordinierten Aktion zu: Im süditalienischen Kalabrien und in Deutschland nahmen die Fahnder 169 Mafiosi fest – auch Frauen und Männer mit Kontakten in die Schweiz. Laut Staatsanwaltschaft gehören die Verhafteten zum 'Ndrangheta-Clan der Farao-Marincola, der in der Provinz Catanzaro aktiv ist und unter Drohungen Schutzgeld eintreibt.

Untersuchungsakten, die SonntagsBlick vorliegen, zeigen: Die Gruppe unterhielt enge wirtschaftliche Verbindungen zur Schweiz. So investierte die Gruppe das erpresste Geld unter anderem in Rotwein. Grosse Mengen Zu Lorenzu verkaufte sie im ­Februar 2017 hierzulande und in Deutschland.
Die Polizei hörte mit, als der Verdächtige F. T.* seinem Boss von einer Verkaufsfahrt rapportierte: «Wir waren in der Schweiz, unter anderem in Lugano. Wir haben jemanden gefunden, der uns den Wein abnimmt. Eine Million Flaschen sind verkauft.»

Zu diesem Zeitpunkt hatten die italienischen Fahnder bereits ­einen grossen Teil der Gruppe identifiziert und verwanzt. Jedes Telefongespräch und jedes Treffen verfolgten die Ermittler.

Restaurants und Immobilien im Besitz der Mafia

In akribischer Kleinarbeit rekonstruierten sie so die Verbindungen der Gruppe und erfuhren von noch grösseren Geschäften in der Schweiz: Etwa bei einem Gespräch zwischen dem Treuhänder B. P.* und dem 'Ndrangheta-Boss G. S.*: Zuerst sprachen sie über den Preis von Drogen, dann über gemeinsame Investitionen mit ­einem Mafioso, der den Spitznamen «Topolino» trägt, Mickey Mouse.

Im Übrigen geht es um Schweizer Restaurants: «16 Lokale gehören uns – der Rest gehört zum Unternehmen!» Der Mann mit dem lustigen Namen Topolino taucht bereits in früheren Ermittlungsakten auf – er zählt zu den einflussreichsten Mafiosi in Kalabrien.

Augenscheinlich betreibt die Mafia in der Schweiz nicht nur Restaurants, sondern besitzt hier auch Wohnungen: Dies geht aus einem Telefonat zwischen zwei Mafiosi hervor, das die Ermittler aufzeichneten. Sie sprechen über den Abschluss eines Hauskaufs. Dabei erwähnt einer der beiden Mafiosi, dass er in der Schweiz gewesen sei, um eine der Wohnungen frisch zu streichen.

Mafia-Kenner: «Schweiz vernachlässigt Geldwäsche»

Restaurants und Immobilien im Besitz der Mafia? Dazu äussert sich die Bundesanwaltschaft (BA) seltsam schwammig: «Wir haben Kenntnis genommen von der genannten Operation in Italien, sind jedoch mit dieser Thematik zurzeit nicht befasst.»

Die Haltung der Schweizer Ermittler stösst unter Experten auf Kritik. So etwa beim Journalisten und Mafia-Kenner Antonio Nicaso (54). Er bemängelt, dass sich die Schweiz zu lange auf Gewaltverbrechen konzentriert habe und Ermittlungen über Geldwäsche vernachlässige. Laut Antonio De Bernardo von der Staatsanwaltschaft Catanzaro, der die Untersuchungen gegen die Frauenfelder Mafia-Zelle leitete, sind Ermittlungen in der Schweiz deshalb so schwierig, weil es hier im Unterschied zu Italien keine spezifischen Anti-Mafia-Gesetze gebe, etwa zur Beschlagnahmung von Vermögen.

Hinzu kommt: Zur Aufdeckung von Geldwäsche, bei der sich die Mafia meist der Hilfe von Strohmännern bedient, braucht es intensive Überwachung.

Wie bereits im Fall der Frauenfelder Zelle offenbar wurde, bevorzugt es die Bundesanwaltschaft jedoch, Mafiosi nach Italien auszuliefern.
Laut BA habe sich dieses Vorgehen «als opportun und nutzbringend herausgestellt».

«Wir haben enorme Fortschritte gemacht»

Vor vier Jahren flog die Thurgauer Zelle auf – Sie waren direkt in die Ermittlungen involviert. Wo steht das Verfahren?
Antonio De Bernardo: Die Hauptverdächtigen wurden in erster und zweiter Instanz zu hohen Haftstrafen verurteilt. Vier Angeklagte wurden im Sommer freigesprochen. Weitere drei Verdächtige wurden in einem abgekürzten Verfahren zu Haftstrafen verurteilt. Noch hängig ist der Prozess gegen mehrere Personen, während nur für zwei ein Verfahren wegen Nichtauslieferung eingeleitet wurde.

Die Ermittlungen zeigen: Restaurants in der Schweiz gehören der Mafia. Was tut die Justiz, um diese Vehikel zur Geldwäsche auszuschalten?
Die Geldwäscherei ist das Hauptgebiet der Zusammenarbeit der Justiz zwischen der Schweiz und Italien. Natürlich könnte mehr getan werden, doch in den letzten Jahren wurde der Informationsaustausch stark verbessert. Heute können Ermittler schneller auf bestimmte Arten von Informationen zugreifen, die zur Aufdeckung eines Geldwäschekanals unerlässlich sind.

Was kann die Schweiz tun, um die Mafia effektiver zu bekämpfen?
Ermittlungen gegen die Mafia sind sehr aufwendig und oft nur durch den Einsatz von umfangreichen Abhörmitteln möglich. Nur so kann der Schleier über Vermögenswerte und unternehmerischer Aktivitäten gelüftet werden.

Macht die Justiz Fortschritte im Kampf gegen die Mafia?
Es ist schwer zu sagen, wo wir sind, aber in den letzten zehn Jahren wurden enorme Fortschritte gemacht, wir wissen viel mehr. Doch solange es das Verbrechen gibt, wird unsere Arbeit nicht enden. Aber vielleicht erleben wir noch das Ende der 'Ndrangheta!

Vor vier Jahren flog die Thurgauer Zelle auf – Sie waren direkt in die Ermittlungen involviert. Wo steht das Verfahren?
Antonio De Bernardo: Die Hauptverdächtigen wurden in erster und zweiter Instanz zu hohen Haftstrafen verurteilt. Vier Angeklagte wurden im Sommer freigesprochen. Weitere drei Verdächtige wurden in einem abgekürzten Verfahren zu Haftstrafen verurteilt. Noch hängig ist der Prozess gegen mehrere Personen, während nur für zwei ein Verfahren wegen Nichtauslieferung eingeleitet wurde.

Die Ermittlungen zeigen: Restaurants in der Schweiz gehören der Mafia. Was tut die Justiz, um diese Vehikel zur Geldwäsche auszuschalten?
Die Geldwäscherei ist das Hauptgebiet der Zusammenarbeit der Justiz zwischen der Schweiz und Italien. Natürlich könnte mehr getan werden, doch in den letzten Jahren wurde der Informationsaustausch stark verbessert. Heute können Ermittler schneller auf bestimmte Arten von Informationen zugreifen, die zur Aufdeckung eines Geldwäschekanals unerlässlich sind.

Was kann die Schweiz tun, um die Mafia effektiver zu bekämpfen?
Ermittlungen gegen die Mafia sind sehr aufwendig und oft nur durch den Einsatz von umfangreichen Abhörmitteln möglich. Nur so kann der Schleier über Vermögenswerte und unternehmerischer Aktivitäten gelüftet werden.

Macht die Justiz Fortschritte im Kampf gegen die Mafia?
Es ist schwer zu sagen, wo wir sind, aber in den letzten zehn Jahren wurden enorme Fortschritte gemacht, wir wissen viel mehr. Doch solange es das Verbrechen gibt, wird unsere Arbeit nicht enden. Aber vielleicht erleben wir noch das Ende der 'Ndrangheta!

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