Kein Stein bleibt im Tessin auf dem andern: Chiesa schaffte die Wahl in den Ständerat mit 42'552 Stimmen. Carobbio vereinte 36'469 Stimmen auf sich. Dahinter folgen der nicht wiedergewählte Lombardi mit 36'424 Stimmen - 45 weniger als Carobbio - und Giovanni Merlini von der FDP mit 33'278 Stimmen.
Merlini hätte den Ständeratssitz des zurückgetretenen Fabio Abate verteidigen sollen. Die Tessiner FDP hat nach dieser Niederlage zum ersten Mal seit 126 Jahren keinen Sitz mehr im Stöckli. Mit Marina Carobbio erobert erstmals eine Frau einen Ständeratssitz für das Tessin. Carobbio ist zurzeit Nationalratspräsidentin.
Der Überflieger des zweiten Wahlgangs im Tessin heisst Marco Chiesa (SVP). Der Vizepräsident der SVP Schweiz lag im ersten Wahlgang noch knapp 2000 Stimmen hinter dem führenden Filippo Lombardi. Im zweiten Wahlgang holte er die meisten Stimmen und distanzierte die Zweitplatzierte Marina Carobbio um über 6000 Stimmen.
Die Stimmbeteiligung beim zweiten Wahlgang lag im Tessin bei 47,16 Prozent.
Der Politologe Oscar Mazzoleni erklärt die Sitzverschiebung im Tessin mit der politischen Polarisierung. Diese habe sich bereits bei den Tessiner Kantonsratswahlen im April abgezeichnet. Damals habe sich gezeigt, dass die Mitteparteien an Kraft verlieren.
Auf das Erstarken der beiden Pole nahm auch der Abgewählte Filippo Lombardi Bezug. Gegenüber Fernsehen SRF sagte er: «In der Mitte Brücken zu bauen war während der letzten 20 Jahre mein politisches Leitmotiv.» Jetzt müsse man schauen, wie diese neue Formel funktioniere. «Mir gefällt die Polarisierung nicht.»
Mazzolenis Berufskollege Nenad Stojanovic sieht den Grund für die Niederlage von CVP und FDP in deren gescheiterter Allianz. «Es fehlte das Vertrauen in der CVP-FDP-Allianz.» Weil die Listenverbindung in der Mitte nicht wirklich gespielt habe, seien Stimmen nach links und nach rechts abgewandert.
Lombardi sei ein Opfer der politischen Polarisierung geworden, sagt auch Fiorenzo Dadò. Der Präsident der CVP Tessin ist überzeugt, dass die Parteien der Mitte über lang oder kurz verschwinden werden.
Nach dem ersten Wahlgang, in dem Lombardi noch geführt hatte, hätten sich viele Wähler umorientiert, glaubt Dadò. «Das ist das Resultat einer immer stärkeren Polarisierung in der Schweiz.» Die Wähler würden vermehrt auf Vertreter der beiden Pole denn auf Mitte-Politiker setzen.
(SDA)