Covid-19 ist auch eine Seuche für die Wirtschaft. Zwar blieb die befürchtete Konkurswelle bisher aus. Ende November aber waren 34'000 Unternehmen in der Schweiz auf Kurzarbeitsentschädigung angewiesen – und die Zahl der Arbeitslosen wuchs dennoch innert Jahresfrist von 120 '000 auf 170'000 Personen an.
Viele Betriebe wissen nicht, wie sie ihre Fixkosten decken sollen. Wer bezahlt die Strom-, Wasser-, Telefon- und Internetrechnung? Wie kratze ich die Miete zusammen? Wer übernimmt die Versicherungsprämien? Woher soll das Geld für Amortisation und Verzinsung meines Firmenkredits kommen?
Dabei lässt die Härtefallhilfe allerorten auf sich warten – und in vielen Fällen wird sie wohl nicht ausreichen ...
All diesen Unsicherheiten zum Trotz: Jene, welche die Wirtschaft mit Geld versorgen, scheinen gegen Covid-19 immun zu sein. Die meisten Banken konnten ihre Gewinne im Corona-Jahr steigern, einige präsentierten gar Rekordergebnisse – unabhängig von Geschäftsmodell, Grösse und Region.
Die Entlebucher Bank zum Beispiel jubelt über einen «erfreulichen Geschäftsabschluss». Die Privatbank Julius Bär fährt dank Börsenboom deutlich mehr Gewinn ein. Die Raiffeisenbank am Bichelsee verbessert ihr Jahresergebnis trotz Pandemie. Bei zahlreichen Kantonalbanken ist von Rekordgewinnen die Rede. Und auch der UBS geht es im Corona-Jahr «blendend», wie die «NZZ» weiss. Einzig die Credit Suisse musste einen Gewinnrückgang hinnehmen. Der ist jedoch vor allem der Bereinigung von Altlasten geschuldet.
Wie ist das möglich? Wieso wirkt sich die Misere von Gewerbe und Industrie nicht auf die Ergebnisse der Finanzinstitute aus?
Andreas Dietrich (44), Professor für Banking and Finance an der Hochschule Luzern, erklärt dies mit der positiven Entwicklung des Hypothekargeschäfts, das für viele Banken zentral sei. «Trotz der schwierigen Situation waren nur wenige Zahlungsausfälle bei Hypothekarkrediten zu verzeichnen. Die Zinserträge sind auch im Corona-Jahr gemäss Plan erwirtschaftet worden.»
Hypothekarmarkt boomt
Der Immobilienmarkt sei gar gewachsen – auch in Bezug auf die Preise. «Entsprechend konnten die Banken ihr Hypothekarvolumen weiter ausbauen und dadurch trotz etwas tieferer Margen ihre Zinsergebnisse halten oder gar steigern.»
Doch wie lange kann das gut gehen? Sollten die Banken nicht Rückstellungen vornehmen für Firmenkunden, welche die Krise unter Umständen nicht überstehen? Müssten Wertberichtigungen für Kreditausfälle die Ergebnisse nicht massiv belasten?
Dietrich winkt ab. «Einige Banken haben zwar vorsorglich Rückstellungen gebildet, Einzelwertberichtigungen gemacht oder die Reserven für allgemeine Bankrisiken erhöht. Grundsätzlich darf eine Bank aber nicht einfach willkürlich und auf Vorrat Wertberichtigungen vornehmen.»
Der Bankenprofessor geht allerdings davon aus, dass sich die «Bremsspuren» in der wirtschaftlichen Entwicklung mit Verzögerung auch in den Büchern der Banken niederschlagen werden.
Wie stark diese Auswirkungen sein werden, sei noch nicht absehbar, sagt Kristyna Ters (42), Professorin für Kreditrisiko und Finanzen an der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Wir sind in einer komplett neuen Situation, die sich mit früheren Krisen nicht vergleichen lässt. Wie gross die Kreditausfälle letztlich sein werden, weiss niemand – auch die Riskmanager der Banken stehen vor grossen Herausforderungen.»
Die staatlichen Massnahmen zur Abfederung der Wirtschaftskrise hätten den Banken jedoch stark geholfen, so Ters. «Die Covid-Notfallkredite, für die der Bund bürgt, dürften von den Unternehmen auch dazu verwendet worden sein, um den Forderungen gegenüber ihrer Hausbank nachzukommen – also für die Verzinsung und Amortisation von Krediten.» Der Bund habe damit die Ausfallrisiken für Banken reduziert, meint Ters. «Wenn ein Betrieb dereinst den Covid-Kredit nicht zurückzahlen kann, belastet das primär den Staat und in geringerem Umfang die Bank.»
Noch wichtiger sei für die Banken jedoch eine Corona-Massnahme der Nationalbank gewesen: die Anhebung des Negativzins-Freibetrags. «Seit Mitte März können die Banken bei der Nationalbank wieder mehr Geld deponieren, ohne dafür Strafzinsen zu bezahlen. Das hat den Spielraum und die Margen im extrem wichtigen Zinsdifferenzgeschäft etwas erhöht.»
Umschichten von Aktien bringt Geld
Es gibt aber noch einen ganz anderen Faktor, der sich für die Banken extrem positiv ausgewirkt hat: die Unsicherheit an den Finanzmärkten. «In einem solchen Kontext richten Anleger ihr Vermögensportfolio neu aus – und jede Transaktion erzeugt Gebühren und spült Geld in die Kasse der Banken», sagt Marc Chesney (61), Finanzprofessor an der Universität Zürich.
Für ihn, der in seinem Buch «Die permanente Krise» die Macht der Finanzindustrie kritisch hinterfragt, ist deshalb klar: «Die Rekordgewinne der Banken zeigen, wie sich die Finanzbranche von der Realwirtschaft abgekoppelt hat.»
Zwar sei Erfolg per se nicht zu verurteilen. Die Gewinner der Krise sollten jedoch signifikant zu den Kosten der Krise beitragen. «Die gebeutelten Gastwirte – wenn sie noch geöffnet hatten – mussten auch während der Pandemie für jedes verkaufte Essen eine Mehrwertsteuerabgabe bezahlen. Die Banken dagegen bleiben von solchen Abgaben verschont.»
Chesney plädiert deshalb für die Einführung einer Mikrosteuer auf elektronische Zahlungen. «Das würde für mehr Gerechtigkeit sorgen.»
Neu ist diese Idee nicht: Die entsprechende Volksinitiative lancierte Chesney zusammen mit Gleichgesinnten bereits vor einem Jahr, noch bevor Covid-19 die Schweiz auf den Kopf stellte.
Doch das Vorhaben stockt. Corona hat das Unterschriftensammeln massiv erschwert – und spielt damit wem in die Hände? Genau.