Die marode Schweizer Hochseeflotte kostete die Eidgenossenschaft – und damit den Steuerzahler – bereits 300 Millionen Franken. Zwar gehören ihre 27 Schiffe privaten Eignern. Doch der Bund bürgt für sie, um in Krisenzeiten die Notversorgung der Schweiz garantieren zu können.
Eine von mehreren in finanzielle Schieflage geratenen Reedereien, für die Bern geradestehen muss, ist die in Freiburg domizilierte Massmariner, eine Tochterfirma der Massoel-Gruppe. Vor wenigen Wochen beantragte der Bundesrat dem Parlament einen Nachtragskredit über 130 Millionen Franken für deren Pleite-Schiffe.
Mitten in die Debatte um diese neuerliche Millionenstütze platzen nun Vorwürfe des profilierten türkischen Schiffbeobachters und Beraters für internationale Beziehungen Yoruk Isik.
«Patronen für Waffen und Sprengladungen»
Gestützt auf Quellen aus der Schiffsindustrie sagt er: «Der Massoel-Tanker Thorco Basilisk hat schwere Waffen nach Saudi-Arabien transportiert.»
Die Recherchen in diesem brisanten Fall führen nach Istanbul, an die Ufer des Bosporus, der pulsierenden Hauptschlagader der Stadt. Täglich passieren 200 Schiffe die Meerenge zwischen Europa und Asien.
Vor der Durchfahrt müssen sie bei der Hafenbehörde ihre Fracht anmelden. Am 30. Juni 2019 tat dies auch die Thorco Basilisk. Als das Schiff an jenem Tag den Bosporus durchquerte, gab die Crew in ihrem sogenannten Cargo-Manifest zu Protokoll: «Patronen für Waffen und Sprengvorrichtungen.» Mehrere Insider bestätigten diese Information gegenüber SonntagsBlick.
Isik, der die Bewegungen von Kriegs- und Handelsschiffen in Istanbul seit Jahren minutiös dokumentiert und so bereits mehrfach Waffenlieferungen in den Nahen Osten aufdeckte, hat die Thorco Basilisk bei der Durchfahrt fotografiert.
Durch den Suezkanal nach Saudi-Arabien
Daten des Schiffsradars belegen zudem den damaligen Weg des Schweizer Hochseetankers. Am 28. Juni hatte er im bulgarischen Burgas abgelegt, Ende Juni Istanbul passiert und war dann durch den Suezkanal weiter nach Dschidda in Saudi-Arabien gefahren.
Nicht vollständig geklärt ist, welche Waffen das unter Schweizer Flagge fahrende Schiff geladen hatte und für wen die explosive Fracht bestimmt war.
Dokumente, die der Blog «Arms Watch» publik machte, geben allerdings Hinweise da-rauf. Demnach lieferte eine serbische Waffenfirma just in jenen Tagen Tausende Mörsergranaten an die saudische Armee. Diese wurden auf Lastwagen ins bulgarische Burgas transportiert. Gemäss «Arms Watch» holte die Thorco Basilisk die Waffen dort ab – Container, gefüllt mit Tausenden Mörsergranaten vom Kaliber 81 Millimeter.
Sowohl der türkische Experte Isik als auch die Investigativjournalisten von «Arms Watch» glauben, dass die Waffen für den Konflikt im Jemen bestimmt waren – den blutigsten Krieg unserer Zeit.
Reederei mauert plötzlich
Tatsächlich tauchten serbische Granaten des gleichen Typs bereits mehrfach auf Bildern aus dem Kriegsgebiet auf, unter anderem in einem Propagandavideo der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
SonntagsBlick konfrontierte die Massoel-Gruppe mit den Recherchen. Die Reederei antwortete: «Wir halten fest, dass die Schiffseigner jegliche Waffentransporte strikte ablehnen. Im Cargo-Vertrag zwischen uns und der beauftragten Befrachtungsunternehmung ist ausdrücklich festgehalten, dass Waffen, Munition und Sprengstoff unter keinen Umständen verschifft werden dürfen.» Und: Man habe Abklärungen eingeleitet, die Aufschluss darüber geben sollen, ob das Schiff für einen Waffentransport «missbraucht» worden sei.
Als SonntagsBlick zu einem späteren Zeitpunkt erneut bei Massoel nachfragt, lassen die Verantwortlichen bloss noch ausrichten: «Wir kommentieren keine kommerziellen Angelegenheiten.»
Aussendepartement nur für Schiffs und Umweltsicherheit zuständig
Die Aufsicht über die Schweizer Handelsflotte liegt beim Aussendepartement (EDA). Dessen Sprecherin Noémie Charton sagt: «Wir führen keine amtlichen Aufzeichnungen über die Fracht von Schweizer Hochseeschiffen.» Man sei bei der Prüfung von Schiffsladungen nur für Aspekte der Schiffs- und Umweltsicherheit zuständig.
Aber auch dies bereitet dem Bund Kopfzerbrechen. Weil die Massoel-Gruppe wiederholt gegen ihre gesetzlichen Pflichten verstiess, musste das EDA Sicherheitsinspektionen der Schiffe anordnen. Wegen ausstehender Löhne für die Mannschaften erstattete der Bund gar Anzeige.