Sebastian Kurz' Konservative sind die Sieger der Europawahl in Österreich. Hochrechnungen am Sonntagabend sahen die ÖVP bei 34,5 Prozent (2014: 27 Prozent). Trotzdem muss Österreichs Bundeskanzler vielleicht bald Kisten packen. Heute muss er sich im Nationalrat der Vertrauensfrage stellen – und rechnet selbst mit einer Niederlage. BLICK erklärt, was heute passieren kann.
1. Kurz bleibt im Amt
Bei 183 Sitzen im Nationalrat werden die 61 Stimmen von Kurz' ÖVP und die zehn Stimmen der liberalen Neos nicht für eine Mehrheit reichen. Die SPÖ und Kurz' Ex-Koalitionspartner, die Strache-Partei FPÖ, wollen ihn aus dem Kanzleramt jagen. Doch der jeweilige Fraktionschef könnte den Fraktionszwang auch aufheben. Dann könnten sich Abgeordnete der Opposition selbst für oder gegen den Kanzler entscheiden – und Kurz so eine Mehrheit verschaffen.
2. Die gesamte Regierung tritt zurück
Entzieht das Parlament dem Kanzler das Vertrauen, wäre das ein Novum! Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es in Österreich bereits 185 Misstrauensanträge – noch nie ist einer durchgekommen. Aus Protest könnte Kurz' Kabinett geschlossen zurücktreten. Das gilt zwar als unwahrscheinlich, die Option steht aber im Raum. So kann die ÖVP unausgesprochen Druck ausüben.
3. Ein Übergangskanzler übernimmt
Verliert Kurz die Vertrauensabstimmung, muss Bundespräsident Van der Bellen (75) ihn umgehend des Amtes entheben und einen Übergangskanzler bestimmen. Ein heisser Favorit: der frühere EU-Kommissar Franz Fischler. Der 72-Jährige hat grosse Erfahrung in Brüssel und ist in der ÖVP beliebt. Theoretisch könnte der Übergangskanzler sogar Kurz selbst sein – der wird sich aber lieber auf den anstehenden Wahlkampf konzentrieren, um aus den Neuwahlen gestärkt hervorzugehen.
4. Die Abstimmung wird verschoben
Eine Minderheit der Abgeordneten könnte die Abstimmung auf Mittwoch verschieben lassen. Dafür braucht es nur ein Fünftel der Abgeordneten. Eine gute Taktik, um die Emotionen etwas abkühlen zu lassen und sich Verhandlungszeitraum und Mehrheiten zu beschaffen.