Verwahrter Dirnenkiller Mike A. jammert
Mein Sohn besucht mich nie im Knast

Der Fall schlug 2008 hohe Wellen: Die thailändische Prostituierte Ladarat Chitpong wurde von Mike A. brutal vergewaltigt, getötet und danach in einem Koffer im Wald «entsorgt». Nach vier Wochen fieberhafter Suche wurde schliesslich ihre Leiche gefunden. Obwohl er die Tat bestritt wurde Mike A. lebenslang verwahrt. In einem Interview spricht der Dirnenmörder erstmals. Er hofft, dass sein Fall neu beurteilt wird. Die Chancen sind verschwindend klein.
Publiziert: 26.01.2016 um 03:32 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:12 Uhr
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Knapp acht Jahre nach der Tat spricht der Hurenkiller Mike A. mit "Die Zeit".

Die Beweise waren klar: DNA in seiner Dusche, auf seinem Penis und unter seinen Fingernägeln. Mike A. (48) hatte im August 2008 die thailändische Dirne Ladarat Chitpong (sie nannte sich Linda) zu sich in die Wohnung in Märstetten TG bestellt und danach auf bestialische Art und Weise ermordet. Für seine Gräueltat wurde er vom Bezirksgericht Weinfelden zu 20 Jahren Haft und anschliessender lebenslanger Verwahrung verurteilt. Als erster seit der Annahme der Verwahrungs-Initiative im August 2008. «Das Gericht hat keine Zweifel an seiner Schuld», sagte der Gerichtspräsident bei der Verurteilung.

Vor Gericht stritt Mike A. die Tat lakonisch ab: «Das sind ominöse Spuren. Ich weiss nicht, wie sie dahinkommen.» Er behauptete, dass ihm die Polizei Beweise untergeschoben hätte. Seine Unschuld kann er nicht glaubhaft darlegen, den Berufungsprozess lässt Mike A. platzen.

Die Gutachter Thomas Knecht und Dr. Christian Benz gingen bei der Verurteilung von höchster Wiederholungsgefahr aus: Schon als Kind litt er an psychischen Störungen. Knecht: «Er hat Mäuse mit Strom gefoltert. (...) Er leidet an einer Triebanomalie mit sadistischem Einschlag. Nach Lehrbuch: Es ist sexueller Sadismus.» Dazu käme noch eine gewisse Vorliebe für Blut.

Nun hofft Mike A. dank einem Interview mit «Die Zeit» wieder freizukommen. Die Chancen sind verschwindend klein. Entweder müssten neue, wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden, welche beweisen, dass er keine Gefahr mehr darstellt. Oder Mike A. wäre so altersschwach oder krank, dass er körperlich keine Gefahr mehr für andere darstellen würde.

 Hier die spannendsten Punkte aus dem Interview mit Mike A.

  • Seine Hoffnung: Mike A. glaubt, dass der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke seine Verurteilung aufheben könnte. Er habe ihn im TV gesehen. «Die Insekten beweisen, dass die Frau noch nicht so lange tot war, wie man mir das weismachen will. Meine Hoffnung ist Herr Benecke. Dass er unvoreingenommen meinen Fall prüft und den Todeszeitpunkt.»
  • Die Nacht, in der er Linda tötete: «Das ist ja das Problem. Ich war in der Bar. Dann gibt es eine Lücke in der Erinnerung. Am nächsten Tag ging das Theater los. Die Bullen. Und ich war abgestempelt.» Er behauptet, dass die Wahrheit ihn interessiere. Die Lügen über ihn würden ihn aufregen.
  • Warum er die Berufung platzen lies: «Ich wollte mir dieses Theater ein zweites Mal ersparen.» Mike A. behauptet noch immer, dass Linda damals noch lebte. Der Prozess sei voller Ungereimtheiten behauptet er.  «Das ganze Theater noch einmal? Ohne mich.» Es interessierte ihn nicht, dass er den Rest seines Lebens hinter Gittern sei. Käme er frei, hätte er «Bammel». Er habe keine Ahnung, wo er sein neues Leben anfangen würde. Er wisse nur, dass er sich «einen Chip in den Arsch montieren lassen» würde. Damit er jederzeit beweisen könne wo er sich aufhalte. «Damit mir keiner je wieder etwas anhängen könnte.»
  • Sein Sohn: Mike A. trägt stets ein Bild seines Sohnes im Teenageralter mit sich. Bleibt etwas von den 24 Franken, welche er täglich verdient übrig, schickt er es ihm. Drei mal Jährlich schreibe er ihm. Sein Sohn habe ihn noch nie im Knast besucht – sein Anwalt sei der einzige. Auf die Frage, ob er den seinen Sohn sehen wolle, sagt Mike A.: «Das Theater, bis man hier drinnen ist, will ich ihm lieber nicht antun. Aber wenn er ums Verrecken kommen will, soll er. Er soll sich um sein Leben kümmern.»
  • Sein Tagesablauf in der Strafanstalt Pöschwies: Mike A. legt gegenüber «Die Zeit» seinen minutiös durchgeplanten Tag dar: Der TV weckt Mike A. Kaffee kochen, fünf Zigaretten stopfen, Bonbons in seine Dose legen, Kaffee trinken, Zigarette rauchen, Toilettengang,  zweite Tasse Kaffee, anziehen, sich am Lavabo waschen. Spülmittel in den Kaffeekrug – zweite Zigarette auf dem Pausenhof und dann geht er seinen halben Tag in der Werkstatt arbeiten. Nachmittags hat er frei – der Rücken. Gegen die Schmerzen erhält er einmal pro Woche eine Massage. Nachmittags bleibe Mike A. auf seiner Zelle:  «Seit wir viele Türken hier haben, geht es wie auf dem Basar zu und her, das ist nichts für mich.» Abends schaut er TV und turnt in den Webepausen. Am Samstag klopft er mit zwei weiteren Insassen einen Jass. Er braucht den Rhythmus: «Ich habe Stress schon immer gehasst wie die Pest.» (any)
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