Der zu mehr als drei Jahren Haft Verurteilte wäre im Gefängnis einem ernsthaften medizinischem Risiko ausgesetzt gewesen, hiess es weiter. Die Verfolgung Stones und das «ungerechte Urteil» gegen den 67-Jährigen hätten Trump auch zu seiner Entscheidung bewogen. «Roger Stone hat bereits sehr gelitten. Er wurde sehr ungerecht behandelt, wie viele andere in diesem Fall.» Demokraten kritisierten die Entscheidung scharf und warfen dem Präsidenten Amtsmissbrauch vor.
Stone sollte die Strafe eigentlich am Dienstag in einem Gefängnis im Bundesstaat Georgia antreten. Sein Antrag auf Haftaufschiebung war kurz vor Trumps Entscheidung von einem Berufungsgericht zurückgewiesen worden.
In der Russland-Affäre hatte FBI-Sonderermittler Robert Mueller die Vorwürfe zu illegalen Beziehungen zwischen dem Trump-Wahlkampfteam - mit dem auch Stone zusammenarbeitete - und Vertretern Russlands untersucht. In der im Frühjahr vergangenen Jahres abgeschlossenen Untersuchung fand Mueller keine Belege dafür, dass es vor der Wahl 2016 Geheimabsprachen zwischen dem Trump-Wahlkampfteam und Vertretern Russlands gegeben habe. Stone allerdings war im Februar wegen Vergehen im Zusammenhang mit der Affäre zu einer Haftstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden.
Eine Jury sah es als erwiesen an, dass er sich im Zusammenhang mit Kontakten zur Enthüllungsplattform Wikileaks unter anderem der Falschaussagen, der Behinderung von Ermittlungen und der Beeinflussung von Zeugen schuldig gemacht hat. Stone hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
Wegen der Schwere von Stones Vergehen hatten die Ankläger dem Bundesgericht in Washington eine Haftstrafe von sieben bis neun Jahren Gefängnis empfohlen. Im Anschluss hatte Trump seiner Wut auf Twitter Luft gemacht, das vorgeschlagene Strafmass scharf kritisiert und von einer «Verfehlung der Justiz» gesprochen. Aus Trumps Sicht ist Stone ein Opfer der «illegalen» Russland-Ermittlungen. Der Präsident sieht sich selbst als eines der grössten Opfer dieser «Hexenjagd».
Spekulationen, wonach Trump Stone begnadigen könnte, hielten sich hartnäckig. Normalerweise stellt sich das Justizministerium nicht gegen Empfehlungen von Staatsanwälten. Nach Trumps Äusserungen hatte die Behörde allerdings erklärt, der Vorschlag der Ankläger sei «exzessiv und ungerechtfertigt». Stone hatte nach Medienberichten noch kurz vor der Verkündigung der Entscheidung mit seiner Begnadigung geliebäugelt. In Richtung Trumps sagte er laut NBC-Journalisten Howard Fineman: «Er weiss, dass ich unter enormem Druck stand, mich gegen ihn zu wenden. Das hätte meine Situation erheblich erleichtert. Aber ich habe es nicht getan.»
Der Exzentriker Stone mit seinen schlohweissen Haaren gilt als eine der schillerndsten Figuren in der amerikanischen Politik. Seit Jahrzehnten zog er aufseiten der Republikaner hinter den Kulissen viele Fäden und schreckte auch nicht vor «dreckigen Tricks» zurück, wie er selbst zugibt. Als Verehrer von Richard Nixon hat der 67-Jährige sogar ein Tattoo des ehemaligen Präsidenten auf seinem Rücken, das er bei einer beliebten Netflix-Dokumentation über sein Leben selbst zeigte.
Die Stellungnahme des Weissen Hauses vom Freitag las sich bemerkenswert feindselig und griff die Russland-Ermittlungen noch einmal scharf an. «Diese Anschuldigungen waren das Produkt von Rücksichtslosigkeit, die von Frustration und Bosheit getragen wurde», hiess es. «Aus diesem Grund hatten die ausser Kontrolle geratenen Staatsanwälte von Mueller, die verzweifelt nach spritzigen Schlagzeilen suchen, um eine fehlgeschlagene Untersuchung zu kompensieren, Herrn Stone ins Visier genommen.»
Stone liess am Freitag über seinen Anwalt erklären, er fühle sich «unglaublich geehrt» von Trumps Entscheidung. Scharfe Kritik an dem Entscheid kam vom Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff. «Stone hat gelogen und Zeugen eingeschüchtert», schrieb er auf Twitter. «Mit Trump gibt es jetzt zwei Justizsysteme in Amerika: Eine für Trumps kriminelle Freunde und eine für alle anderen.» Zuletzt hatte ein Ermittler aus Robert Muellers Team vor dem Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses ausgesagt, dass Stone wegen seiner Nähe zu Trump von der US-Justiz begünstigt würde. «Ich habe - wiederholt - gehört, dass Roger Stone wegen seiner Beziehung zum Präsidenten anders als alle anderen Angeklagten behandelt wurde», sagte Staatsanwalt Aaron Zelinsky.
(SDA)