Sie beschuldigen ihn, 2017 im Irak einen verletzten Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) erstochen und später neben dessen Leiche posiert zu haben. Auch wird ihm vorgeworfen, auf Zivilisten geschossen zu haben. Von Montag an muss Gallagher sich vor einem Militärgericht in San Diego wegen Mordes und anderer Anklagepunkte verantworten. Er weist die Vorwürfe zurück.
Auch einige seiner Kameraden verteidigen den Soldaten und widersprechen den Anschuldigungen. Der Fall schlägt seit Monaten Wellen in den USA. Mehre Dutzend Republikaner sind Gallagher zur Seite gesprungen, konservative Medien laufen Sturm. Und auch US-Präsident Donald Trump hat sich eingeschaltet.
Rückblick: Im Mai 2017 ist Gallagher in Mossul stationiert, es ist sein achter Einsatz. Die Stadt war einst die IS-Hochburg im Irak, bei Gallaghers Einsatz befinden sich noch immer einige Bezirke unter Kontrolle der Terroristen, die Schlacht um die Rückeroberung läuft. Amerikanische Spezialkräfte unterstützen das irakische Militär dabei.
In dem konkreten Fall, der sich am oder um den 3. Mai abgespielt haben soll, sollen irakische Soldaten einen jungen IS-Kämpfer gefangen genommen haben, der bei einem Luftangriff verletzt wurde. Wie aus der Anklageschrift hervorgeht, werfen die Ermittler der Marine Gallagher vor, ihn getötet zu haben.
Die «New York Times» hat Details aus einem geheimen Untersuchungsbericht veröffentlicht, die es in sich haben: Demnach soll ein Sanitäter der US-Marine den IS-Kämpfer behandelt haben, als Gallagher auf den Verletzten zugegangen sei und dem Teenager mit einem Messer mehrmals in den Hals und in die Seite gestochen habe.
Später habe er neben der Leiche für eine Vereidigungszeremonie posiert, während ein anderer Soldat eine amerikanische Flagge hochgehalten habe. Nach dem Vorfall habe Gallagher ein Foto der Leiche an einen Kameraden geschickt und dazu geschrieben: «Ich habe ihn mit meinem Jagdmesser erwischt.»
Ausserdem soll der Elite-Soldat laut Anklage mehrfach auf Zivilisten geschossen haben. Laut der «New York Times» etwa auf ein Mädchen und einen alten Mann, der einen Wasserkrug im Arm getragen habe.
Manche Mitglieder seiner Einheit seien so besorgt über das Verhalten Gallaghers gewesen, dass sie seine Waffe manipuliert hätten, um sie weniger zielsicher zu machen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf die Ermittler. Auch hätten sie Warnschüsse abgegeben, um Zivilisten zu alarmieren.
Gallagher weist alle Vorwürfe zurück. Sein Anwalt Timothy Parlatore erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur DPA, sein Mandant habe den IS-Kämpfer medizinisch versorgt. Dieser sei der einzige Überlebende eines Raketenangriffs auf ein Gebäude gewesen und habe schwere Verletzungen gehabt. Gallagher habe das getan, wofür er ausgebildet worden sei, er habe medizinische Hilfe geleistet.
Die Verteidigung wirft Mitgliedern aus Gallaghers Einheit vor, ihren Chef angeschwärzt zu haben, weil sie mit seiner Art nicht klargekommen seien. Sie hätten so erreichen wollen, dass er von seinem Posten entfernt werde.
Das ist eine Darstellung der Ereignisse. Die Ermittler zeichnen ein anderes Bild. Sie legen in ihrem Untersuchungsbericht laut der «New York Times» dar, dass der Fall nur ans Licht gekommen sei, weil sieben Soldaten aus Gallaghers Einheit sich nicht einschüchtern liessen. Sie hätten nicht locker gelassen, so dass ihr Kommandeur die Vorwürfe schliesslich gemeldet habe.
Gallaghers Familie kämpft um seinen Ruf. Sein Bruder Sean Gallagher appellierte im Februar an Präsident Donald Trump, sich für den Elite-Soldaten einzusetzen. Dieser sei ein «echter Krieger», der sein Leben im Kampf gegen den IS riskiert habe. Es gebe Fotos, Videos und Augenzeugenberichte, die belegten, dass die Vorwürfe haltlos seien. Das System sei kaputt und Trump müsse es reparieren.
Mitte Mai berichtete die «New York Times», Trump erwäge, mehrere Amerikaner zu begnadigen, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen würden oder die schon verurteilt worden seien. Einer davon: Gallagher. Wenige Tage später sagte Trump, er habe darüber noch nicht entschieden. «Es ist ein bisschen kontrovers. Es ist sehr gut möglich, dass ich die Prozesse laufen lasse und meine Entscheidung nach den Gerichtsverfahren treffe.»
Erst vor kurzem hatte Trump den ehemaligen Armeeoffizier Michael Behenna begnadigt, der wegen des Mordes an einem Gefangenen im Irak verurteilt worden war. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU kritisierte das scharf: Trump müsse Kriegsverbrechen verhindern, statt sie gutzuheissen.
Fälle wie diese wecken Erinnerungen an die dunklen Kapitel im Kampf gegen den Terror - und wie bei vielen politischen Debatten im Amerika unter Trump wird auch hier unterschwellig die Frage diskutiert, was für ein Land die USA sein wollen.
Auch aus den Reihen von Veteranen werden solche Begnadigungen kritisch gesehen. «Es ist eine schlechte Idee. Schlecht für Amerika. Schlecht für unsere Truppen», sagte kürzlich der Gründer der Organisationen Irak- und Afghanistan-Veteranen für Amerika, Paul Rieckhoff, dem US-Sender CNN.
«Wenn der Präsident ankommt und diese Menschen begnadigt, dann besagt das im Prinzip: Unsere Truppen sind nicht an Regeln gebunden. Sie können tun, was sie wollen.»
Rieckhoff befürchtet auch, dass solche Begnadigungen indirekt Auswirkungen auf die Sicherheit der US-Soldaten in Konfliktgebieten hätten. «Wenn die Menschen in diesen Ländern denken, dass wir Kriegsverbrechen begehen können, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, werden sie ihnen (den Soldaten) nicht trauen», sagte der Veteran. «Wir werden sofort von den Guten zu den Bösen.»
(SDA)