Das Repräsentantenhaus sollte an diesem Donnerstag wieder zusammenkommen - es wurde eine neue Abstimmung über den Vorsitz der Parlamentskammer erwartet. Zuvor hatte es hinter den Kulissen Verhandlungen gegeben. Es war aber weiter völlig offen, ob es McCarthy nun geschafft hat, seine Gegner in der Partei hinter sich zu vereinen. Gegen ihn stellten sich bei den vorangegangen Abstimmungen glühende Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump.
Berichten zufolge ist McCarthy seinen Parteigegnern erneut einen grossen Schritt entgegenkommen, um sich deren Stimmen zu sichern und die Blockade zu durchbrechen. Der 57-Jährige soll sogar eingewilligt haben, die Hürden für die Abberufung eines Vorsitzenden im Repräsentantenhaus noch weiter zu senken.
Damit bietet er seinen Gegnern ein Druckmittel, ihn nach Belieben wieder aus dem Amt zu jagen. Dies könnte schwerwiegende Folgen haben und zu noch mehr Instabilität führen, wenn im Kongress wichtige Entscheidungen anstehen. Die Rechtsaussen-Abgeordneten könnten die Kammer in Geiselhaft nehmen. McCarthy war den Abtrünnigen in diesem Punkt bereits zuvor weit entgegengekommen - allerdings ohne Erfolg. Er zeige nun ein neues Niveau an «Verzweiflung», urteilte der Sender CNN.
McCarthy war zuvor in sechs Wahlgängen durchgefallen. Zwei Tage lang hat er die erforderliche Mehrheit bei der Wahl zum Vorsitzenden der Parlamentskammer verfehlt und wurde blamiert. Wenn McCarthy sich nicht mit den Gegnern in seiner Partei einigen kann, könnte er womöglich versuchen, mit den Demokraten Verhandlungen aufzunehmen. Diese könnten ihm etwa durch Enthaltungen in ihren Reihen zu einem Wahlsieg verhelfen, weil das die Zahl der nötigen Stimmen senken würde. Möglich wäre auch, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich die Republikaner verständigen könnten. Denkbar wären aber auch Gespräche mit den Demokraten über einen Konsenskandidaten, den auch sie mittragen würden.
Dass die Demokraten aktuell aber grosse Freude daran zu haben scheinen, McCarthy scheitern zu sehen, zeigte sich am Mittwochabend (Ortszeit). Die Abgeordneten waren nach einer Pause zu einer erneuten Sitzung zusammengekommen. McCarthy hatte zuvor gesagt, dass eine weitere Abstimmung am Abend keinen Erfolg bringen würde - einer seiner Vertrauten beantragte folglich eine Vertagung der Sitzung. Allerdings stemmten sich die Demokraten gegen das Vorhaben. Erst im letzten Augenblick wurde der Antrag mit einer hauchdünnen Mehrheit der Republikaner angenommen.
Am Dienstag und Mittwoch hatten mehrere Republikaner ihrem Parteikollegen McCarthy die Unterstützung verweigert und bei der Wahl um den Vorsitz für andere Kandidaten gestimmt. So versammelten sich 20 Republikaner bei den Wahlgängen am Mittwoch hinter dem Gegenkandidaten Byron Donalds. McCarthys Gegner hatten den Republikaner nominiert. Da die Republikaner in der Parlamentskammer nur eine knappe Mehrheit haben, ist McCarthy fast auf jede Stimme in seiner Partei angewiesen, um zum Vorsitzenden gewählt zu werden.
Auch ein Appell von Ex-Präsident Trump änderte nichts an der verfahrenen Situation. Dieser hatte McCarthy bereits zuvor unterstützt - und ihm aber nach dem Abstimmungsdebakel noch einmal Rückendeckung gegeben. Doch die glühenden Trump-Fans blockierten McCarthy weiter. Die Partei habe mit einem «Achselzucken» reagiert, schrieb die «Washington Post». Es gebe andere Namen, die für den Posten des Sprechers kursierten, sagte die Abgeordnete Lauren Boebert im US-Fernsehen. Die 36-Jährige zählt zu den erbittertsten und lautesten McCarthy-Gegnern. «Vielleicht sollte ich Präsident Donald J. Trump nominieren», sagte sie nach den sechs Wahlgängen ohne Ergebnis.
Für McCarthy sind die Niederlagen in Serie eine historische Schlappe und eine öffentliche Blossstellung. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihren Kandidaten nicht im ersten Durchgang ins Amt wählt. Der Machtkampf zeigt auch die Zerrissenheit der Republikaner. Sie hatten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobert und wollten eigentlich Präsident Joe Biden vor sich hertreiben. Nun fragen sich viele, ob die dysfunktionale Partei überhaupt in der Lage ist, die wichtigen Aufgaben in der Parlamentskammer zu bewältigen.
(SDA)