US-Präsident Joe Biden
Angriff auf Ukraine könnte grösste Invasion seit Weltkrieg sein

Ein russischer Einmarsch in die Ukraine könnte angesichts der massiven Truppenpräsenz in der Nähe der Grenze nach Ansicht von US-Präsident Joe Biden die «grösste Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg» werden.
Publiziert: 26.01.2022 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2022 um 10:39 Uhr
Joe Biden, Präsident der USA, spricht im East Room des Weißen Hauses in Washington. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Foto: Andrew Harnik

Ein solcher Schritt würde «die Welt verändern», warnte Biden am Dienstag. Nach US-Angaben soll Moskau entlang der ukrainischen Grenze rund 100 000 russische Soldaten in Stellung gebracht haben. Mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin sagte Biden, dieser «baut die Truppenpräsenz entlang der ukrainischen Grenze weiter aus».

Biden fügte hinzu: «Falls er mit all diesen Truppen einmarschieren würde, wäre das die grösste Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg.» Es war zunächst nicht klar, ob sich Biden mit seiner Aussage spezifisch auf Europa bezog, denn beim US-geführten Einmarsch im Irak waren 2003 deutlich mehr Soldaten zum Einsatz gekommen. In Afghanistan wiederum wurde die Präsenz der sowjetischen Truppen nach ihrem Einmarsch 1979 mit rund 120 000 angegeben.

Moskau hat Pläne zu einem angeblichen Einmarsch in die Ukraine dementiert. Biden warnte Russland erneut für den Fall eines Angriffs vor drastischen Gegenmassnahmen und machte deutlich, dass er sich auch Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vorstellen könnte. Gleichzeitig betonte der US-Präsident, es gebe keine Pläne, US-Truppen in die Ukraine zu schicken. «Es werden keine amerikanischen Kräfte in die Ukraine verlegt.»

Das US-Militär hatte am Montag rund 8500 Soldaten in erhöhte Bereitschaft versetzt, um bei Bedarf eine schnelle Verlegung nach Europa zu ermöglichen. «Ich könnte einige dieser Truppen kurzfristig verlegen - einfach, weil es eine gewisse Zeit dauert», sagte Biden. Dies sei keine Provokation, sondern eine Vorsichtsmassnahme, um den Sorgen der osteuropäischen Nato-Mitgliedern zu begegnen, sagte er.

Auf Nachfrage fügte Biden hinzu, es sei nach wie vor unklar, ob Putin tatsächlich einen Angriff plane. «Ich werde vollkommen ehrlich mit Ihnen sein: Es ist ein bisschen wie im Kaffeesatz lesen.»

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Die Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts dauern seit Wochen bei verschiedenen Gesprächen an.

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Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Staatschef Emmanuel Macron warnten Russland vor schweren Konsequenzen einer weiteren militärischen Aggression gegen die Ukraine. Die Führung in Moskau müsse dringend zur Deeskalation beitragen, forderte Scholz am Dienstag im Kanzleramt, wo er den Franzosen zu einem Antrittsbesuch empfing. Macron sagte, man bereite eine gemeinsame Reaktion für den Fall eines Angriffs vor. Er warnte: «Der Preis wäre sehr hoch.»

Erstmals seit Beginn der aktuellen Spannungen wollen an diesem Mittwoch offizielle Vertreter Russlands und der Ukraine zu Gesprächen zusammenkommen. Ein Treffen auf Beraterebene ist in Paris geplant. Auch Frankreich und Deutschland sollen an der Zusammenkunft im sogenannten Normandie-Format teilnehmen. Wie es aus Élyséekreisen hiess, soll es in den Gesprächen um humanitäre Massnahmen und Zukunftsüberlegungen der Ukraine gehen.

Deutschland und Frankreich vermitteln in dem seit 2014 andauernden Konflikt. Ihr verhandelter Friedensplan liegt jedoch auf Eis. Nach UN-Schätzungen wurden bei Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und kremltreuen Separatisten in der ukrainischen Region Donbass mehr als 14 000 Menschen getötet. Macron will am Freitag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren und ihm einen Weg der Deeskalation vorschlagen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte am Dienstag im US-Sender CNN an, das Bündnis wolle noch in dieser Woche schriftlich auf Russlands Sorgen um die Sicherheit in Europa antworten. Man werde der russischen Seite dabei deutlich machen, «dass wir bereit sind, uns zusammenzusetzen». Diskutiert werden könne etwa über Rüstungskontrolle, Transparenz bei militärischen Aktivitäten oder Mechanismen zur Risikominderung.

Stoltenberg betonte, man sei auch willens, sich die russischen Bedenken anzuhören. «Aber wir sind nicht bereit, Kompromisse bei den Grundprinzipien einzugehen.» Dazu gehöre das Recht jeder Nation in Europa, selber zu entscheiden, welchen Bündnissen sie sich anschliessen wolle. Russland verlangt ein Ende der Osterweiterung der Nato und will insbesondere verhindern, dass die Ukraine Teil des westlichen Verteidigungsbündnisses wird.

Die USA bereiten sich indes gemeinsam mit ihren Verbündeten auf eine mögliche Reduzierung russischer Gaslieferungen nach Europa im Falle einer Eskalation vor. «Wir arbeiten mit Ländern und Unternehmen auf der ganzen Welt zusammen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und Preisschocks sowohl für die amerikanische Bevölkerung als auch die Weltwirtschaft abzufedern», sagte ein US-Regierungsmitarbeiter. «Wir sind in Gesprächen mit grossen Erdgasproduzenten rund um den Globus, um deren Kapazität und Bereitschaft zur zeitweisen Erhöhung der Erdgasproduktion zu ermitteln und diese Mengen europäischen Abnehmern zuzuweisen.»

Vor dem Hintergrund der Spannungen mit der Nato haben mehr als 1000 russische Soldaten der Panzertruppe Übungen abgehalten. Sie dienten der Überprüfung der Gefechtsbereitschaft, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. 100 Einheiten von Waffen-, Kampf- und Spezialtechnik seien dabei im Moskauer Gebiet eingesetzt worden. Auch auf der von Russland einverleibten Halbinsel Krim im Schwarzen Meer hätten Panzer mehrere Schiessübungen auch in unwegsamem Gelände absolviert, hiess es weiter. Den Übungen schloss sich demnach auch die Marine an, so die Schwarzmeerflotte und die Kaspische Flottille. Russland hatte zuletzt bereits mehrere Marine-Manöver mit 140 Kriegsschiffen bis Ende Februar angekündigt. (SDA)

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