Auf Anfrage der USA, Grossbritanniens, Frankreichs, Estlands, Irlands und Norwegens wird sich das mächtigste UN-Gremium voraussichtlich am Nachmittag New Yorker Zeit hinter verschlossenen Türen treffen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Diplomatenkreisen erfuhr. Die Botschafterinnen und Botschafter kommen an diesem Tag von einer gemeinsamen Arbeitsreise aus der Sahelzone zurück in die Vereinigten Staaten.
Zuvor hatte der höchste Militärvertreter im Sudan, General Abdel Fattah al-Burhan, am Montag die Entmachtung der zivilen Regierungsmitglieder verkündet - im ganzen Land werde der Ausnahmezustand verhängt. Ministerpräsident Abdullah Hamduk, der seit August 2019 gemeinsam mit Al-Burhan an der Spitze der Übergangsregierung stand, wurde nach einer Mitteilung des Informationsministeriums von Angehörigen des Militärs an einen unbekannten Ort verschleppt. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen hat das Militär die Kontrolle über die Hauptstadt Khartum übernommen. Der Flughafen, Brücken und das Staatsfernsehen seien in der Hand der Streitkräfte und die Eingänge in die Stadt versperrt.
«Hier brennen noch immer Barrikaden, und wir können gelegentlich Schüsse hören, daher besteht natürlich die Gefahr, dass es zu mehr Gewalt oder Spannungen kommt, wenn die Nacht hereinbricht», sagte der UN-Sonderbeauftragte für Sudan, der deutsche Volker Perthes, mit Blick auf anhaltende Demokratie-Proteste gegen die Armee. «Einige Demonstranten versuchten heute, in das Armeehauptquartier hier in Khartum einzudringen. Wir haben dann Schüsse und Verletzungen gesehen, können aber keine Details bestätigen.»
Ein dpa-Reporter vor Ort beobachtete, dass tausende Demonstranten auf den Strassen Khartums gegen die Übernahme der Regierung durch die Armee demonstrierten. Nach Angaben von Ärzten soll es bei Protesten mindestens zwei Tote und rund 80 Verletzte gegeben haben. Seit Monaten kommt es im Sudan immer wieder zu Protesten von Menschen, die politische und wirtschaftliche Reformen fordern. Das Militär werde den Übergang zur Demokratie vollziehen, versprach General Al-Burhan. Das Ziel sei es, die Führung des Landes nach Wahlen im Juli 2023 an eine zivile Regierung zu übergeben.
Hinweise auf einen Putsch hatten sich am frühen Montagmorgen verdichtet. Das Internet, das Mobilfunknetz und Teile des Festnetzes waren seit den frühen Morgenstunden nicht mehr zugänglich. «Im Zusammenhang mit innenpolitischen Unruhen wurden in Khartum weiträumig Brücken- und Strassensperren errichtet, sowohl durch das Militär als auch im Rahmen von Demonstrationen,» sagte das Auswärtige Amt in einer Mitteilung.
Mitglieder der Übergangsregierung und mehrere Minister seien ebenfalls festgenommen worden, so das Informationsministerium. Nach UN-Angaben seien auch Journalisten in Gewahrsam genommen worden. Eine Sprecherin des Weissen Hauses sagte am Montag, man sei «zutiefst beunruhigt» über die Berichte aus dem Sudan. «Wir lehnen das Vorgehen des Militärs ab und fordern die sofortige Freilassung des Premierministers und anderer, die unter Hausarrest gestellt wurden.» Das Vorgehen stehe im «krassen Gegensatz zum Willen des sudanesischen Volkes und seinem Streben nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit».
Der Sprecher des US-Aussenministeriums, Ned Price, sagte, Hilfen in Höhe von 700 Millionen US-Dollar, die für die Unterstützung des demokratischen Übergangs im Sudan geplant gewesen seien, würden zunächst gestoppt. US-Aussenminister Antony Blinken kündigte an, weitere Schritte abzuwägen. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sowie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und UN-Generalsekretär António Guterres verlangten die Freilassung Hamduks. Grossbritannien kritisierte den Putsch scharf.
Der Sudan wurde fast 30 Jahre lang von Omar al-Baschir regiert. Der Langzeit-Machthaber wurde im April 2019 durch monatelange Massenproteste und einen Militärputsch aus dem Amt getrieben. Daraufhin einigten sich das Militär und die zivile Opposition auf eine gemeinsame Übergangsregierung, die den Weg zu Wahlen ebnen sollte. Es folgten zahlreiche Reformen, durch die sich das ölreiche aber verarmte Land aus einer jahrzehntelangen Isolation befreien konnte.
Im Mai gewährten internationale Geber, darunter auch Deutschland, dem Sudan einen milliardenschweren Schuldenerlass, um den friedlichen Übergang zur Demokratie zu unterstützen. Allerdings hat sich die wirtschaftliche Lage für viele Menschen nicht verbessert: nach Angaben der Vereinten Nationen sind die Preise für Lebensmittel und Treibstoff in den vergangenen Monaten in die Höhe geschossen. Mehr als die Hälfte der Bewohner des Landes benötigten humanitäre Hilfe. (SDA)