Die Kuh hat acht Zitzen, aus ihrem Euter kommt UHT-Milch. Diese Antwort gaben Schüler dem «Jugendreport 2010» in Deutschland. Bei einer Studie in England waren manche Kinder sogar überzeugt, dass Kühe Eier legen.
Von Bildungslücken berichtet auch der Schweizer Bauernverband: «Die meisten urbanen Kinder waren noch nie in einem Stall und wissen nicht, wie die Milch von der Kuh in den Tetrapak kommt», sagt Präsident Markus Ritter (48). «Viele stellen sich das wie Cola-Produktion vor: Man mischt etwas Pulver mit Wasser, gibt Blööterli hinzu und fertig.»
Jetzt denkt der Verband darüber nach, Kühe landesweit an Schulen zu bringen, meldet die Fachzeitung «Schweizer Bauer». «Unsere Kommunikationsverantwortlichen besprechen die Idee nächste Woche», bestätigt Ritter. «Wir sind im Gespräch mit Personen, die Erfahrung mit ähnlichen Projekten haben.»
Die Idee kommt aus den USA. Kalifornische Milchproduzenten besuchen jährlich 400 000 Schüler mit ihrem «mobilen Klassenzimmer», einem Viehtransporter mit Kuh und Kalb.
Die Kinder dürfen die Tiere begutachten und streicheln. Ein Instruktor im Cowboy-Outfit zeigt Melk-Techniken und erklärt die Entstehung der Milch. Einer von ihnen sagt: «In der Schule kann ich den ganzen Tag über die Kuh referieren. Aber Kinder verstehen die Zusammenhänge erst, wenn sie das Tier vor sich haben.»
Der Schweizer Lehrerverband ist nicht überzeugt und will das Projekt «unter keinen Umständen unterstützen», sagt Vizepräsidentin Marion Heidelberger (48). «Dieses Modell ist nicht vereinbar mit einem sorgfältigen Umgang mit Tieren. Da wird eine Kuh in den Lastwagen gesperrt, in die Schule gefahren und die Kinder sitzen da wie vor dem TV – was für eine Schnapsidee!» Die Kinder könnten viel mehr lernen, wenn sie einen Hof besuchen, wie es in der Schweiz seit 30 Jahren angeboten wird: Beim Projekt «Schule auf dem Bauernhof» besuchen Klassen einen Landwirt, der sie über die Tiere informiert. Die Nachfrage geht allerdings zurück. Bauernpräsident Ritter: «Wir haben das Problem, dass die Schulpläne immer dichter werden und die Lehrer kaum mehr Zeit für einen Bauernhofbesuch finden.»
«Wenn wir die Kuh zu den Kindern an die Schule bringen, spart das den Lehrkräften Zeit und trotzdem profitieren die Kinder von all den sinnlichen Erlebnissen, die eine Kuh und ihr Bauer mit sich bringen.»
Für Landwirte, so Ritter, sei das eine Investition in die Zukunft: «Kinder werden irgendwann erwachsen und zahlen Steuern. Dann sollten sie wissen, warum sie mit ihrem Geld die Bauern unterstützen.»