«Wir denken tatsächlich darüber nach, die Staatsangehörigkeit auf vereinfachte Weise allen Bürgern der Ukraine zu genehmigen, nicht nur Bewohnern der Republiken Luhansk und Donezk», sagte Putin am Samstag bei der Seidenstrassen-Konferenz in Peking. Kiew reagierte auf die Ankündigung mit Protest.
Der ständige Vertreter der ukrainischen Regierung beim Europarat, Dmytro Kuleba, verurteilte Putins Pläne. Russland wolle eine «weitere Eskalation und Chaos in der Ukraine», schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. Daher sei Moskau darauf aus, «die Spielregeln immer komplizierter zu machen», kritisierte Kuleba weiter.
Putin sagte, er sei offen für ein Gespräch mit dem designierten Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj. «Alle sind diesen Konflikt leid», fügte Putin mit Blick auf die Kämpfe im Osten des Landes hinzu.
Dort kämpfen ukrainische Regierungstruppen seit Jahren gegen von Russland unterstützte Separatisten, bisher gab es dabei rund 13'000 Tote. Die Menschen in der Ukraine erwarteten von ihrer neuen Führung Lösungen für ein Ende des Krieges, sagte Putin.
Für den politisch unerfahrenen Selenskyj bedeutet Putins Ankündigung Komplikationen noch vor dem Amtsantritt. Russland hat schon mehrfach militärisches Eingreifen im Ausland damit begründet, es wolle dort lebende russische Staatsbürger schützen. Der scheidende ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte während des Wahlkampfs stets betont, er sei der einzige, der dem übermächtigen Nachbarn Russland und seinem Präsidenten etwas entgegenzusetzen habe.
Selenskyj hatte unmittelbar nach seinem Wahlsieg neue Impulse für den Friedensprozess im Osten des Landes angekündigt. Dabei setzte er auf neue Gespräche im sogenannten Normandie-Format, an denen neben der Ukraine und Russland auch Deutschland und Frankreich beteiligt sind.
Erst am Mittwoch hatte Putin ein Dekret unterzeichnet, wonach für Bürger in den selbsterklärten Republiken Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine die Vergabe von russischen Pässen erleichtert werden soll. Demnach sollen russische Behörden innerhalb von drei Monaten über einen entsprechenden Antrag entscheiden. Putins Äusserung in Peking deutet nun darauf hin, dass das Angebot nicht auf die Ostukraine beschränkt bleiben könnte.
Wer einen russischen Pass erhält, soll auch Anspruch auf Rente und Sozialhilfe aus Russland haben. Moskau werde seiner «sozialen Verantwortung für unsere neuen russischen Bürger» gerecht werden, versprach Putin in Peking. Er verteidigte die erleichterte Passvergabe zugleich gegen Kritik: «Polen vergibt solche Pässe an Polen, Rumänien an Rumänen, Ungarn an Ungarn», sagte er mit Blick auf europäische Länder mit einer grossen Diaspora.
Deutschland, Frankreich und die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini hatten bereits die ursprüngliche Ankündigung Russlands verurteilt. Der Schritt erfolgte wenige Tage nach der Wahl des Politikneulings Selenskyj zum neuen Staatschef der Ukraine. Die politische Führung in Kiew warf Moskau vor, Unruhe in die Übergangsphase zwischen dem scheidenden und dem neuen Präsidenten bringen zu wollen.
Belastet wird das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine auch durch ein Gesetz, welches das Parlament in Kiew am Donnerstag verabschiedet hatte. Es schreibt Ukrainisch als Sprache in öffentlichen Einrichtungen vor - etwa für Beamte, Lehrer, Ärzte und Anwälte. Zudem wird die Quote für ukrainischsprachige Rundfunkprogramme erhöht. Russland hatte auf die Neuregelöung empört reagiert, die Sprecherin des Aussenministeriums, Maria Sacharowa, sprach von einem «skandalösen» Gesetz.
(SDA)