«Man wollte mich nicht ernst nehmen»
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Anwohner Ivo Kuster (43):«Man wollte mich nicht ernst nehmen»

Armee-Offizier deckt auf – Pioniere halfen Bauer bei unbewilligtem Stallumbau
Zivilschutz muss illegale «Übung» abbrechen

Im Rahmen eines Kurses helfen Zivilschützer in Eschenbach SG einem Bauern, seinen Stall umzubauen. Das sorgt für Unmut und heftige Kritik.
Publiziert: 05.07.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2023 um 10:42 Uhr
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Auf diesem Hof in Eschenbach SG nahmen am 13. und 14. Juni 2023 88 Zivilschützer an einem Kurs teil.
Foto: Philippe Rossier

Gratisarbeit für einen Bauern: 45 Zivilschützer waren am 13. Juni auf einem Landwirtschaftsbetrieb in Rüeterswil, einem Ortsteil von Eschenbach SG, im Einsatz. Dort unterstützten sie ein privates Bauprojekt.

Der offizielle Auftrag der Pioniere: Das Arbeiten mit schwerem Gerät üben, etwa im Modul «Holzbearbeitung mit der Benzinkettensäge».

Einige halfen beim Umbau des Kuhstalls und spitzten dort unter anderem eine Futterkrippe aus Beton heraus. Einige verwendeten Abbruchmaterial, um einen Weg im Landwirtschaftsland anzulegen.

Auch wurde mit altem Beton eine neue Wasserfassung erstellt. Andere Zivilschützer fällten Bäume, spalteten Holz und schichteten es auf Stapel. Weitere machten am Waldrand Entsorgungsfeuer mit Altholz, obwohl aufgrund der Trockenheit im Kanton St. Gallen das Feuern in Waldesnähe möglichst zu unterlassen war.

Am Tag darauf nahmen erneut 43 Personen an diesem Wiederholungskurs des Zivilschutzes Zürichsee-Linth teil und führten die Arbeiten auf dem Hof fort.

«Ein Schlag ins Gesicht»

Ein Zivilschutzpionier, der am ersten Tag im Einsatz war, half bei der Abbrucharbeit im Stall. Bevor seine Gruppe damit beginnen konnte, musste sie den Tiefstreustall ausmisten. «Vier Männer waren von 9 bis 14.15 Uhr am Ausmisten», sagt er. Für den Gruppenführer ist klar: Dies wäre die Arbeit des Bauern gewesen.

Der Pionier störte sich nicht an der Arbeit, sondern an der Tatsache, dass er im Zivilschutz-Tenue auf einem privaten Hof aufräumen musste. Die Tätigkeiten, die der Zivilschutz ausführte, hätten für den Landwirt wohl einen ganzen Winter lang Arbeit bedeutet. «Für viele von uns, die der Landwirtschaft nahe stehen, war das ein Schlag ins Gesicht.» Viele hätten sich gedacht: «Der Bauer macht jetzt das Geschäft seines Lebens.»

Übersicht über die verschiedenen Arbeiten am Hof in Eschenbach SG

Der Kurs war für vier Tage geplant gewesen. Aber: «Am frühen Morgen des 15. Juni wurde entschieden, die Ausbildung abzubrechen, unter anderem weil sich der Bauer nicht an die Abmachungen hielt», erklärt Andrea Frei Gschwend, Kommunikationschefin der Stadt Rapperswil-Jona. Der Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, Martin Stöckling (48), ist Präsident des Zivilschutzes Zürichsee-Linth.

Vorzeitig beendet wurde der Kurs einerseits, weil der Bauer manche Angehörige des Zivilschutzes zu Arbeiten angehalten hatte, die nicht im Zusammenhang mit der Ausbildung standen – etwa die Verwendung von Bauschutt beim Anlegen eines Weges. Andererseits ging es um die fehlende Baubewilligung für den Umbau des Stalls. «Eine solche einzuholen war gemäss Abmachung in der Verantwortung des Bauern», sagt Frei Gschwend.

«Eine Frechheit»

Bei der Gemeinde und bei kantonalen Behörden interveniert hatte Ivo Kuster (43), Sozialarbeiter, Armee-Offizier, kritischer Blogger und SP-Mitglied aus Eschenbach. Er hatte am Morgen des 13. Juni vier Kleinbusse des Zivilschutzes gesehen und später erfahren, wo diese hinfuhren.

Bei einem Augenschein auf dem Bauernhof sah er Plakate, die Ausbildungs-Themen behandelten. Trotzdem war ihm klar: Hier macht der Zivilschutz für einen Landwirt einen Stall-Umbau. «Das ist eine Frechheit», sagt Kuster. Er fragte die Gemeinde Eschenbach, ob überhaupt eine Baubewilligung vorliege.

Bei der Gemeinde war man sich zunächst unsicher. «Bei der sofortigen Besichtigung vor Ort durch einen Mitarbeiter der Bauverwaltung liessen sich das Ausmass des Vorhabens und die damit einhergehende Baubewilligungspflicht nicht abschliessend festlegen», schreibt die Gemeinde auf Anfrage.

Es wurden Abklärungen beim Kanton eingeleitet. Erst am dritten Tag ging die Antwort ein: Der Kanton forderte eine tiefergehende Prüfung des Bauvorhabens in Bezug auf den Tier- und Gewässerschutz. Erst dann wurde die Einstellung der Arbeiten verfügt und die Zivilschutzübung abgebrochen.

«Zivilschutzintern aufarbeiten»

Im Rückblick sieht die Gemeinde Eschenbach den Kurs kritisch. Sie schreibt: «Die berechtigte Grundsatzfrage, inwiefern es sinnvoll ist, dass der Zivilschutz im Rahmen seiner Tätigkeit private Bauvorhaben unterstützt, ist durch die Zivilschutzorganisation sicherlich kritisch zu beleuchten.»

Auch für den Zivilschutz ist die Sache noch nicht abgeschlossen. Gemäss Frei-Gschwend von der Stadt Rapperswil-Jona ist der Zivilschutz für die Ausbildung auf geeignete Übungsmöglichkeiten angewiesen – jedoch sei im aktuellen Fall einiges schiefgelaufen: «Diese Vorkommnisse werden zivilschutzintern aufzuarbeiten sein», sagt sie.

Der betreffende Landwirt wollte keine Stellung nehmen. Ob die Arbeiten gegen gesetzliche Vorgaben verstiessen, ist Gegenstand polizeilicher Untersuchungen. Parallel dazu läuft das baurechtliche Verfahren: Gemäss der Gemeinde Eschenbach hat die Bauherrschaft nun ein Baugesuch einzureichen.

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