Tunesien
Geringe Beteiligung bei Parlamentswahl in Tunesien

Bei der Parlamentswahl in Tunesien hat sich am Sonntag eine niedrige Beteiligung abgezeichnet. Am Nachmittag lag sie laut der Wahlkommission bei lediglich 23,5 Prozent. Die Wahllokale schlossen um 19.00 Uhr MESZ. Ersten Prognosen zufolge liegt die Ennahda-Partei vorn.
Publiziert: 06.10.2019 um 21:03 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2019 um 23:39 Uhr

Die gemässigt islamistische Ennahda-Partei liegt laut ersten Prognosen bei der Parlamentswahl in Tunesien vor der Partei des inhaftierten Medienunternehmers Nabul Karoui in Führung. Die Ennahda kam den am Sonntagabend veröffentlichten Nachwahlbefragungen zufolge auf 40 der 217 Mandate, Karouis Partei Qalb Tounes auf 33 bis 35 Sitze. Vorläufige amtliche Wahlergebnisse werden erst für Mittwoch erwartet.

Qalb Tounes und Ennahda beanspruchten den Wahlsieg am Sonntagabend jeweils für sich. Beide Parteien beriefen sich dabei auf «vorläufige Ergebnisse», ohne nähere Angaben zu machen.

Mitte September hatte die erste Runde der Präsidentschaftswahl in dem nordafrikanischen Land stattgefunden, die mit einer herben Schlappe für die etablierten Parteien endete. Bei der Parlamentswahl könnte sich dieser Trend fortsetzen. Bisher hatte die muslimische Ennahdha gemeinsam mit der Mitte-Partei Nidaa Tounes die Mehrheit im Parlament.

Nur wenige Jahre nach dem Sturz eines autoritären Regimes in Tunesien scheint die Euphorie verflogen. Im Sommer gaben laut einer Umfrage der Nationalen Instanz gegen Korruption (INLUCC) rund 80 Prozent der befragten Tunesier an, kein Vertrauen in die politischen Parteien zu haben.

Die neugegründete Bewegung «Aich Tounsi» ("Leb tunesisch") wirbt deswegen auch mit einem markanten Spruch auf gelben T-Shirts in diesem Wahlkampf: «Keine Angst! Wir sind keine Partei!»

Viele Tunesier sind angesichts einer stagnierenden Wirtschaft, hoher Arbeitslosigkeit und steigender Preise enttäuscht. Er habe «keine Hoffnung auf positive Veränderung», sagte etwa der 60-jährige Mohamed Daadaa am Sonntag bei der Stimmabgabe in Tunis. «Ich traue niemandem und keiner politischen Partei. Das Leben wird immer schlechter in diesem Land.»

Schon vor zwei Wochen erlebte Tunesien ein politisches Erdbeben. Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl wurden die etablierten Parteien abgestraft. Nur knapp 45 Prozent der registrierten Wähler gaben überhaupt ihre Stimme ab.

In die Stichwahl zogen zwei Aussenseiter: Ein konservativer Verfassungsrechtler, der noch nie ein politisches Amt innehatte, und ein Medienunternehmer, der aktuell wegen Korruptionsverdachts im Gefängnis sitzt.

Im Gegensatz zur Wahl des Staatsoberhauptes stiess die Parlamentswahl in der Bevölkerung auf geringes Interesse. Dabei ist das Parlament für jene Fragen zuständig, die die Menschen am meisten interessieren: Die stagnierende Wirtschaft, die hohe Arbeitslosigkeit, die schlecht funktionierende Verwaltung und die anhaltende Inflation.

Es ist die zweite Parlamentswahl in Tunesien, seitdem sich das Land 2014 im Gefolge des Arabischen Frühlings eine neue Verfassung gab. 15'000 Kandidaten bewarben sich diesmal um die 217 Sitze im Parlament; der Wahlausgang galt als völlig ungewiss.

(SDA)

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