Am BLICK ist gestern niemand vorbeigekommen – nicht einmal der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (63). Zur besten Sendezeit zeigte er am Abend im türkischen Fernsehen die Titelseite mit der Schlagzeile: «Stimmt Nein zu Erdogans Diktatur!» Er verstand jedes Wort, der Text war auch in seiner Sprache geschrieben.
Darin fordert BLICK die Türkinnen und Türken in der Schweiz auf, am 16. April die Alle-Macht-für-mich-Reform ihres Staatspräsidenten abzulehnen. Hier von Freiheit und Rechtsstaat zu profitieren und gleichzeitig diese zu Hause abzuschaffen – das geht nicht.
Am TV zeigte sich Erdogan zwar gelassen. Doch der Herrscher vom Bosporus schäumt. Sein Aussenministerium verschickte wegen der BLICK-Ausgabe eine offizielle Stellungnahme. Darin wird BLICK «aufs Schärfste verurteilt», die Zeitung sei «angefüllt mit beleidigenden Worten gegen unseren Staatspräsidenten».
«Unsere Erwartung ist …»
Der türkische Staat belässt es nicht bei Worten, er verlangt von BLICK Taten. «Unsere Erwartung ist, dass Schritte eingeleitet werden, die die Respektlosigkeit, die an unserem Staatspräsidenten verübt wurde, wiedergutmachen.» (Die ganze Stellungnahme im Wortlaut weiter unten.)
Was meint die offizielle Schweiz zur türkischen Einmischung in die redaktionelle Freiheit? Nichts! Jean-Marc Crevoisier, Sprecher von Aussenminister Didier Burkhalter, sagt trotz hartnäckigem Nachfragen: «Kein Kommentar.» Auch zur Bedeutung der Pressefreiheit will er sich in diesem Zusammenhang nicht äussern.
Dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ist das Eisen also zu heiss. Zu gross dürfte die Angst sein, dass eine Stellungnahme unvorteilhaft interpretiert wird und die Spannungen weiter anheizt.
Offizielle Stellungnahme der Türkei im Wortlaut
Eine Antwort des Sprechers des Aussenministeriums, Botschafter Hüseyin Müftüoglu, auf eine Veröffentlichung in der Zeitung BLICK in der Schweiz bezüglich des Referendums in unserem Land.
«Wir verurteilen auf schärfste Weise die Nachricht in der heutigen Ausgabe (13. März) der Schweizer Zeitung BLICK, die angefüllt ist mit beleidigenden Worten gegen unseren Staatspräsidenten, und andererseits irreführende Aussagen im Rahmen des am 16. April stattfindenden Referendums über eine Verfassungsreform enthält. Diese Anklagen und Behauptungen sind nicht akzeptabel.
Über das Referendum, das in unserem Land in einem demokratischen und transparenten Rahmen stattfinden wird, eine so parteiische und vorurteilsvolle Haltung einzunehmen, unsere Bürger dazu aufzurufen, ihre Stimme in eine klar gegebene Richtung abzugeben und zudem beleidigende Adjektive gegen einen Staatspräsidenten zu verwenden, der mit grosser Unterstützung des Volkes eines Landes gewählt wurde, hat weder mit Pressefreiheit noch mit Journalismus etwas zu tun.
Es ist offensichtlich kein gut gemeinter Ansatz, wenn einerseits kritisiert wird, dass die innenpolitischen Entwicklungen und Diskussionen unseres Landes in dritte Länder transportiert werden und gleichzeitig versucht wird, Propaganda in Richtung unserer Bürger im Ausland zu betreiben. Es ist erkennbar, dass die Kreise, die diese Behauptungen aufstellen, nicht genügend Informationen über die Türkei und den Referendumsprozess besitzen und unter dem Einfluss der feindseligen Haltung bestimmter Kreise stehen.
Wir erwarten von den Verantwortlichen und den Autoren der Zeitung BLICK, dass sie dem Konzept neutraler Berichterstattung Respekt zollen und sich an die Regeln der Presseethik halten, wenn sie über unser Land berichten. Unsere andere Erwartung ist, dass Schritte eingeleitet werden, die die Respektlosigkeit, die an unserem Staatspräsidenten verübt wurde, wiedergutmachen. Neutrale Berichterstattung erfordert das.»
(Übersetzt aus dem Türkischen)