Dreieinhalbmal um die Erde. So viele Kilometer fuhr der Interims-Chef der Bundeskriminalpolizei (BKP), Hans-Rudolf Flury (60), mit Zivilfahrzeugen seiner Behörde. Das zeigen Fahrtenkontrollbücher von mehreren Autos, die der Bundeskriminalpolizei zur Verfügung stehen. Die Einträge liegen SonntagsBlick vor.
Zwischen September 2011 und Juni 2017 spulte Flury mit Fahrzeugen aus dem Besitz der Eidgenossenschaft insgesamt 142'243 Kilometer ab. Dazu benutzte er vier verschiedene Mittelklasse-Limousinen der Marken Volkswagen oder Opel – die Autos sind neutral lackiert, also nicht als Polizeifahrzeuge zu erkennen, aber mit Blaulicht und Wechselhorn ausgerüstet.
Flury, der seit 2016 als Chef ad interim der BKP amtet, trug bei der Benutzung der bundeseigenen Fahrzeuge auffallend häufig die Strecke Bern–Olten–Bern ein, was der Fahrt zwischen Wohn- und Dienstort entspricht.
Gebrauch von EJPD-Autos für Privatfahrten ausdrücklich verboten
Am 1. Juli 2016 benutzte er einen schwarzen VW Passat und trug «Tanken/PD/ID» in dessen Fahrtenkontrollbuch ein. Allerdings legte er bei der Fahrt zur Tankstelle und zum Waschen des Fahrzeugs 238 Kilometer zurück. Und auch auf den Zeilen davor und danach ist Flury, der seine Einträge jeweils mit einem grossen R zu unterzeichnen pflegt, als Benutzer des Wagens eingetragen.
Das gleiche Muster am 14. Oktober 2014: An diesem Tag gab Flury «Tanken» als Zweck für die Benützung eines VW an. Am Ende der Reise hatte er laut Fahrtenbuch 372 Kilometer zurückgelegt.
Tausende Kilometer legte Flury mit BKP-Fahrzeugen zurück und trug dazu einfach «z. Vfg. C BKP» ins Fahrtenbuch ein.
Dabei ist der Gebrauch von Autos im Besitz des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) für Privatfahrten ausdrücklich verboten, wie Fedpol-Sprecherin Cathy Maret auf Anfrage bestätigt: «Die Nutzung von Dienstfahrzeugen ist bei Fedpol geregelt. Privatfahrten sind nur erlaubt, soweit dies zur Sicherstellung eines möglichen Einsatzes notwendig ist. In diesen Fällen muss der Fahrweg im Fahrtenkontrollheft eingetragen werden.»
Hans-Rudolf Flury benutzte die BKP-Fahrzeuge wiederholt für Fahrten von Olten nach Bern. Laut Fedpol ist dies erlaubt, sofern das Fahrzeug einzig auf der Strecke vom Arbeits- zum Wohnort und zurück verwendet wird. Allerdings weichen Flurys Einträge von dieser Vorgabe ab – er versah sie dann einfach mit dem Zusatz «Umgebung».
«Die Grenzen zwischen Privatleben und Beruf verwischen zusehends»
Laut Michel Huissoud von der Eidgenössischen Finanzkontrolle wäre es jeweils im Detail zu prüfen, ob der Gebrauch von Bundesfahrzeugen zum privaten Gebrauch korrekt war. Ohne auf den konkreten Fall einzugehen, sagt Huissoud: «Die Grenzen zwischen Privatleben und Beruf verwischen zusehends – auch bei Angestellten des Bundes.»
So sei es etwa gelegentlich sinnvoll, ein Fahrzeug mit nach Hause zu nehmen, um dafür bei einem Einsatz schneller vor Ort zu sein. Dennoch, so der Finanzkontrolleur, müsste die Möglichkeit von Verstössen stets im Einzelfall geprüft werden.
Zum konkreten Fall sagt Fedpol-Sprecherin Maret auf Anfrage von SonntagsBlick, es werde erwartet, dass sich alle Mitarbeiter an den Regeln zur Benutzung von Dienstfahrzeugen orientieren. «Wer sich nicht an diese hält, muss mit Massnahmen rechnen.»
Hans-Rudolf Flury war für SonntagsBlick weder per E-Mail noch telefonisch für eine Stellungnahme erreichbar.
Er wird mit dem Abschluss der BKP-Reorganisation wieder ins zweite Glied zurücktreten. Am 1. April löst ihn sein heutiger Stellvertreter, der Neuenburger Yanis Callandret (42), an der Spitze der BKP ab.
Der Jurist war zuvor zehn Jahre lang bei der Staatsanwaltschaft Neuenburg und dort zuletzt in der Geschäftsleitung tätig. Bei der BKP koordiniert Callandret Ermittlungen unter Leitung der Bundesanwaltschaft sowie Einsätze bei der Terrorbekämpfung im Rahmen von Tetra.
Neben dem Einsatz gegen den Terror dürfte sich Callandret wohl als Erstes auch um seinen künftigen Stellvertreter Flury kümmern müssen.