Trauer-Therapeut Peter Fässler schreibt Krebs-Blog bis in den Tod
«Ich komme wieder, nichts ist vorbei!»

In einem bewegenden Blog schildert der bekannte Trauer-Therapeut Peter Fässler-Weibel seinen Kampf gegen den Krebs. Jetzt hat er ihn verloren.
Publiziert: 24.08.2011 um 10:14 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 19:40 Uhr
Von Antonia Sell

Der bekannteste Trauerberater der Schweiz, Peter Fässler-Weibel (†63), ist tot. Der Winterthurer hat sein Leben in den Dienst der Menschen gestellt, ihnen versucht, beim Umgang mit dem Tod zu helfen. Beim Terroranschlag in Luxor 1997, beim Swissair-Absturz von 1998 und nach dem tödlichen Tsunami in Thailand 2004 betreute er vor Ort die Überlebenden und Hinterbliebenen.

Jetzt hat Peter Fässler-Weibel seinen eigenen Tod bekannt gegeben. «Ich erlaube mir anzuzeigen, dass mein Leben am 19. August 2011 erloschen ist. Zusammen mit meinen Angehörigen lade ich alle Verwandten, Freunde, Bekannten und Kollegen zu einem gemeinsamen Halt im Lebensalltag ein. Wir treffen uns am Samstag, 3. September 2011, um 15.00 Uhr, im Casinotheater Winterthur.»

Diese selbstverfasste Traueranzeige ist das Ende eines langen, öffentlichen Kampfes gegen den Darmkrebs. In seinem beeindruckenden Blog «Licht und Schatten» erzählte Peter Fässler-Weibel von der schrecklichen Diagnose, dem Verzweifeln, aber vor allem von der Hoffnung.

– Sein erster Eintrag datiert auf Donnerstag, den 19. Juli 2007. «Eine Routineuntersuchung meines Dickdarms zeigt eine Sigmastenose erheblichen Ausmasses. Es wurden 12 Biopsien entnommen. Die Mimik meines Arztes war deutlich, das, was ich selber gesehen und noch kurz mit ihm besprochen habe, genauso. Wir reden von einer krebsartigen Entartung in einem erheblichen Ausmass.

Meine Welt steht kopf – kein Stein steht mehr auf dem andern!»

– Dienstag, 24. Juli 2007 – Computertomographie. «Habe ich Metastasen, ja oder nein? Das ist die einzige Frage, die mich interessiert. Die Ärztin zeigt mir die Schnitte und erläutert, dass sie keine Metastasen findet. Trotzdem, der operative Eingriff ist zwingend.»

– Dienstag, 31. Juli 2007 ist der Tag der Operation. Anstelle von Peter selbst, berichtet seine Frau Maria über den Zustand ihres Mannes. «Die Operation ist gut und ohne Probleme verlaufen. Peter ist jetzt auf der Intensivstation.»

– Mittwoch, 8. August 2007 – 5 vor 12. Peter schreibt wieder selber. «Der Biopsiebericht liegt vor. Als ich den Brief aus dem Briefkasten zog, hämmerte mein Herz in einer deutlich höheren Kadenz. Mit einem tiefen Atemzug las ich, dass lediglich eine der vielen untersuchten Lymphknoten befallen ist. Das wiederum heisst Chemotherapie.»

– Donnerstag, 8. November 2007. «Die Therapie, der gegenüber ich mich sehr positiv eingestellt hatte, verändert plötzlich ihr Gesicht. Sie wird zu einem Gegenspieler. Ich fühle mich wie ein Ur-Veteran. Meine Hände und Füsse brennen. Alles schmerzt.»

– Donnerstag, 15. November 2007 – Entscheidung. «Ich beendige den therapeutischen Prozess und verzichte auf den fünften und sechsten Zyklus. Die Nebenwirkungen machen krank.»

– Samstag, 28. Juni 2008 – neue Situation. «Die zweite Nachkontrolle ergab, dass der Tumormarker auf 50,3 gestiegen ist. Normal ist 1,6.»

– Dienstag, 22. Juli 2008 – Operation! Maria postet wieder: «Die Operation hat länger gedauert als angenommen, jedoch geht es ihm gut.»

– Mittwoch, 30. Juli 2008. «Wie 2007 war es auch in diesem Jahr mein erklärtes Ziel, wenn immer möglich ohne Stoma den OP-Tisch verlassen zu können. Dem war, wie ihr alle wisst, nicht so. Ich trage nun so ein Sackerl zu meiner vorderen Rechten.» Nach der zweiten Operation setzt der Trauertherapeut auf Bestrahlung, nicht auf Chemo.

– Donnerstag, 14. August 2008 – Tränen der Freude. «Heute Morgen ruft mich mein Urologe an und teilt mir mit, dass der Tumormarker bei 2,8 liegt, einem absolut normalen Wert. Ein Silberstreifen in der Gewitterfront?»

– Samstag, 17. Januar 2009 – Zwischenbericht, Ferien in Oman. «Kurz vor dem Ende zeigten sich Bauchschmerzen, die mir die Heimreise erheblich erschwerten. Mein Zustand wird als terminal eingestuft. Zurzeit beschäftige ich mich mit Abschlussarbeiten – dem Formulieren der Todesanzeige und der Vorbereitung der Abdankungsfeier.»

– Donnerstag, 29. Januar 2009 – Schritt nach vorn. «Heute haben wir über das weitere Vorgehen entschieden: Operation!»

– Samstag, 21. Februar 2009 – Wechselbad der Gefühle. «Heute erlebe ich den ersten Tag nach der Operation, bei dem es mir einigermassen gut geht und ich wieder an meine Ressourcen zu glauben beginne.»

– Mittwoch, 8. April 2009 – Entscheidung. «Ich habe heute, an unserem 37. Hochzeitstag entschieden, den Versuch einer zweiten Chemotherapie zu starten.»

– Mittwoch, 20. Mai 2009 – die vierte Operation. «Peter wird heute operiert und bekommt einen definitiven künstlichen Darmausgang. Maria.»

– Samstag, 6. Juni 2009 – Rehabilitation. «Es ist unglaublich, aber wahr: Seit Donnerstagabend bin ich wieder zu Hause. Ich freue mich auf die bevorstehende Zeit der Entspannung.»

– Samstag, 5. Juni 2010. «Nochmals operieren.»

– Montag, 7. Juni 2010. «Die erneute OP hat nichts gebracht. Der Darm arbeitet nicht. Maria.»

– Dienstag, 1. Februar 2011 – Jubeltag. «Am letzten des Ersten, also gestern, feierte ich erneut Geburtstag, zum zweiten Mal nach prognostiziertem Ablaufdatum. Eine verrückte Geschichte. Wer weiss, vielleicht lässt sich dieser Tag ja wiederholen, vielleicht sogar mehrmals.»

– Dienstag, 3. Mai 2011 – es ist, wie es ist. «Der Tumor hat sich lautstark zurückgemeldet.»

– Mittwoch, 29. Juni 2011 – Boxenstopp. «Auf der Rennstrecke meines Lebens wurde ich wieder einmal zu einem Boxenstopp gezwungen. Heftige, unklare und diffuse Bauchschmerzen waren die Grundlage dazu. Aber die erste Chemo hat Wirkung gezeigt. Also: ich komme wieder – nichts ist vorbei!»

– Samstag, 30. Juli 2011 – Spital. Am Freitag, den 19. August 2011 schreibt Maria das letzte Mal: «Peter ist heute Morgen um 08.30 Uhr zu Hause gestorben. Die ganze Familie war anwesend, wie er es auch gewünscht hatte.»

Den Blog von Peter Fässler finden Sie hier.

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