Ich hatte mich an Bord der Breitling Orbiter und des Solar Impulse freiwillig in Isolation begeben. Als Gesellschaft befinden wir uns nun in einer erzwungenen Isolation. Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangslage werde ich immer wieder gefragt, welche Ratschläge ich geben kann, um die uns auferlegte Krise zu überstehen. Das tue ich gerne.
Folgende Punkte haben mir geholfen, mehrere Wochen meines Lebens isoliert in einem Ballon oder einem Solarflugzeug zu verbringen:
1. Denken Sie nicht an die Zukunft, und freuen Sie sich nicht darauf, dass die Isolation irgendwann vorbei ist. Die verbleibenden Tage runterzuzählen, wird schnell zur Tortur. Konzentrieren Sie sich lieber auf den gegenwärtigen Moment, werden Sie sich bewusst, was Sie tun, denken und fühlen. Versuchen Sie dabei, Ihren ganzen Körper wahrzunehmen. Auf diese Weise bewegen Sie sich im Strom der Zeit, ohne es zu bemerken. Sie werden erstaunt sein, wenn es plötzlich vorbei ist. Wenn 20 Tage in einer Ballonkapsel schnell vergehen können, dann können das ein oder zwei Monate bei Ihnen zu Hause ebenfalls.
2. Finden Sie Ihren Safe Place – Halt und Sicherheit in sich selbst. Dies ist einer der Schlüssel zur Selbsthypnose: Üben Sie, in ein Gefühl einzutauchen, das Sie in visueller, akustischer oder sensorischer Form aufbauen und das sich wie ein schützender Kokon um Sie bildet. Diese Übung hat mir auf meinen Expeditionen sehr geholfen.
3. Sie müssen begreifen: Ihre Isolation ist eine einzigartige Erfahrung. Was Sie gerade erleben, geht in die Geschichtsbücher ein. Und wir alle, jeder für sich, sind dabei, Geschichte zu schreiben.
4. Es wird einfacher, wenn Sie Ihre persönliche Situation in einen grösseren Kontext stellen. Millionen von Menschen durchleben im Moment das Gleiche. Sie sind nicht allein.
5. Sie müssen den Sinn Ihres Handelns erkennen: Die Isolation schützt Sie selbst und andere. Diese Erkenntnis ist zentral. Auch politische Gefangene erholten sich schneller von ihrem Trauma, wenn sie ihre Gefangenschaft als Dienst an einer übergeordneten Sache wahrnehmen konnten. Mir half mein Ziel, erneuerbare Energien zum Schutz der Umwelt zu fördern. So ertrug ich die Enge meines Cockpits während der vielen Flugtage besser.
6. Sie müssen sich entscheiden: Will das Leben Sie vernichten oder bietet es Ihnen eine Herausforderung, die es zu überwinden gilt? Eine Krise, die wir akzeptieren, wird zu einem Abenteuer mit einem erreichbaren Ziel.
7. Das Akzeptieren der Realität hilft, Stress abzubauen. Je stärker Sie gegen eine Situation ankämpfen, die sich nicht ändern lässt, desto grösser der Schmerz.
8. Mut oder Zuversicht? Natürlich hilft mutiges Handeln, wenn Sie mit einem Problem konfrontiert werden, das Sie nicht kennen. Noch weiter bringt Sie allerdings Zuversicht. Das erkennen Sie, wenn die Umstände Sie zwingen, über sich hinauszuwachsen. Sie werden feststellen, dass Sie alle Ressourcen in sich haben, um vorwärtszukommen und erfolgreich zu sein. Auf meinen Alleinflügen über die Ozeane habe ich herausgefunden, wozu ich alles in der Lage bin. Von dieser Erkenntnis profitiere ich bis heute.
9. Sind Sie allein? Dann lernen Sie, wie Sie mit sich selbst kommunizieren können. Diese Fähigkeit haben wir in unserer Freizeit- und Unterhaltungsgesellschaft verloren. Wir leben zu viel ausserhalb von uns selbst und nicht innerhalb. Auf sich allein gestellt zu sein, wird zu einer Offenbarung, sobald Sie anfangen, auf Ihr Inneres zu hören.
10. Oder leben Sie mit anderen? Wenn Sie mit anderen zusammen eingesperrt sind, weicht die Angst vor Einsamkeit oft permanenten Störungen durch Lärm, Nähe und das Verhalten Ihrer Mitmenschen. Dies ist eine Gelegenheit, eine andere Art der Kommunikation zu entdecken: Teilen Sie Ihre Gefühle und Emotionen statt Ihrer Meinungen, die zu Konflikten führen können. Teilen Sie Ihre eigenen Erfahrungen und interessieren Sie sich für die Ihrer Nächsten, ohne Kritik oder Vorwürfe. Bevor Brian Jones und ich zu unserer 20-tägigen Ballonreise um die Welt aufbrachen, übten wir, einander alles mitzuteilen, was wir über den anderen denken, bis hin zum Thema Mundgeruch. Solche Kleinigkeiten können sonst im Laufe der Zeit auf engem Raum zur Tortur werden. Ich erinnere mich, dass ich Brian mitten über dem Pazifik gesagt habe, dass ich beunruhigt sei. Er dankte mir für meine Offenheit, die ihm die Möglichkeit gab, mir mitzuteilen, dass er Todesangst habe!
Zusammenfassend gesagt kommt all das, was ich Ihnen hier rate, nicht von allein. Man muss es lernen, üben, wiederholen. Man muss eine neue Art erlernen, mit sich selbst, anderen und dem Leben umzugehen. Dafür haben Sie jetzt Zeit. Warum nicht einfach versuchen? Es wäre doch traurig, wenn Sie nach der Isolation sagen müssten, dass Sie sie nicht genug genutzt hätten, um sich weiterzuentwickeln ...