Thurgauer Mafia-Zelle
Die Frau des Capo im Dienst der Kirche

Zwischen den Thurgauer Mafiosi und der katholischen Kirche bestehen enge Kontakte. Der Bischof weiss davon.
Publiziert: 17.01.2016 um 16:24 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:27 Uhr
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Maria M. ist die Frau von Capo Raffaele M. Über die Mafia-Tätigkeit ihres Mannes wusste sie Bescheid, auch, dass Waffen zu Hause waren: «Die Pistolen waren registriert.»
Von Cyrill Pinto

Achtzehn Namen nennt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria in Süditalien. Es sind die Männer, die zur ’Ndrangheta-Zelle von Frauenfeld gehören.

Unter ihnen war auch  Raffaele M.* (53): Als Capo leitete er die Frauenfelder Zelle.

Durch einen Lauschangriff auf den Boccia-Club in Wängi TG und durch abgehörte Telefone waren ihm die Ermittler auf die Spur gekommen, 2014 flog die Zelle auf. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

In Italien würde Raffaele M. wegen seiner Zugehörigkeit zur Mafia sofort der Prozess gemacht. So geschah es zwei anderen Mitgliedern der Frauenfelder Zelle: Antonio Nesci (66) und Raffaele Albanese (75). Sie wurden im letzten Herbst zu 14 beziehungsweise zwölf Jahren Haft verurteilt. Raffaele M. dagegen ist noch immer auf freiem Fuss. Denn in der Schweiz ist die Mitgliedschaft in der Mafia nicht strafbar.

Nun aber wird ein brisantes Interview publik: Maria M.* (50), die Frau von Raffaele, sprach gegenüber der Sendung «Falò» des Tessiner Fernsehens TSI offen über die Mafia-Mitgliedschaft ihres Mannes.

Sie berichtete von dem Tag, als seine Zelle aufflog: «Mein Mann war wütend. Alle Italiener aus Frauenfeld, die das Video aus dem Boccia-Club sahen, wussten fortan, wer zu den Mafiosi gehörte.» Im Interview bestätigt M. auch, dass ihr Mann Waffen zu Hause aufbewahrt. «Ja, er hat zwei Pistolen, sie waren aber registriert.»

Bei einer Hausdurchsuchung kurz nach Auffliegen der Zelle habe die Polizei alle Computer aus ihrem Einfamilienhaus bei Wil SG mitgenommen. Maria M. sieht dem Verfahren gegen ihren Mann trotzdem gelassen entgegen: «Wir haben Anwälte.»

Nach dem Interview jedoch muss ihr klar geworden sein, dass ihr offenherziges Interview gegen die Omertà verstösst, das Mafia-Gesetz des Schweigens. Sie versuchte, die Ausstrahlung per Gericht zu verhindern – vergeblich. Im letzten Herbst erlaubten die Richter dem TSI, aus dem Gespräch zu zitieren.

Klerikaler Freund

Das Tessiner Fernsehen konfrontierte bei seinen Recherchen auch den Arbeitgeber von Maria M., die bis heute als Pastoralassistentin in einer katholischen Gemeinde im Thurgau tätig ist.

Der dortige Priester, ein guter Freund der Familie M., stammt wie sie aus Kalabrien und war fast zehn Jahre lang für die Gemeinde im Thurgau zuständig. Im Haus der Familie M. soll er ein- und ausgegangen sein. Von deren Verbindungen zur Mafia habe er gewusst. Im letzten März wurde der Priester plötzlich zur Missione Cattolica nach Solothurn versetzt. Die Abberufung habe mit dem Auffliegen der Thurgauer Mafiosi nichts zu tun, beteuert sein Vorgesetzter, Don Carlo de Stasio, gegenüber SonntagsBlick: «Die katholische Kirche lehnt die Machenschaften der Mafia ab.»

Auch beim formell zuständigen Bistum Basel ist man informiert. «Wir haben von den Verbindungen der Missione mit der Frauenfelder Mafia-Zelle aus den Medien erfahren», sagt Bistumssprecher Hansruedi Huber (52).

Im Dezember soll sich Bischof Felix Gmür (49) sogar persönlich eingeschaltet haben. Die Anstellung von Maria M. sei aber durch die Thurgauer Landeskirche erfolgt.

Maria M. wollte sich nach dem missglückten Interview mit TSI gegenüber SonntagsBlick nicht mehr äussern. Auch der Priester wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen.

* Name der Redaktion bekannt

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