Eine Handvoll Bauernhöfe, einige Wohnhäuser. Hier in Reuti TG, einem kleinen Weiler in der Gemeinde Bussnang, lebt und wirkt Andreas R.* (49). Ein Leidensgenosse von Ulrich K. aus Hefenhofen TG, wenn man so will.
Schon vor Jahren wurde er mit einem Tierhalteverbot belegt – R. macht weiter wie eh und je. Schockbilder von verendeten Tieren gibt es hier zwar nicht, aber schon der Eindruck von aussen ist katastrophal. Ein im Zerfall befindliches Wohnhaus, defekte Traktoren, ungepflegte Weiden – ein einziges Chaos!
Seit dem Jahr 2002 wurden auf dem Betrieb von R. immer wieder Mängel beanstandet. 2006 und 2008 setzte es wegen seiner Tierhaltung noch Bussen ab. Doch dann reicht Reinhold Zepf, der Präsident des Thurgauer Tierschutzverbandes, im Frühling 2010 eine folgenreiche Anzeige ein. Der Tierschützer erinnert sich: «Das waren richtig schlimme Zustände. Alles war dreckig – da lag auch schon mal eine tote Kuh im Stall!»
Das Sündenregister von Andreas R.
Der Befund ist erschreckend: Der Stall ist überbelegt, es gibt keine Abteile für kranke oder kalbende Tiere und keine ausreichende Wasserversorgung. Zudem führte Andreas R. ohne Ausbildung Enthornungen durch, tötete mindestens eine Kuh ohne Betäubung und stellte auf seinem Betrieb die tierärztliche Versorgung nicht sicher.
Am 23. Juli 2010 zieht das Thurgauer Veterinäramt gegen den Wiederholungstäter die Notbremse: Tierhalteverbot! R. wird jegliche Haltung von Nutztieren auf unbestimmte Zeit und für alle Personen in seinem Haushalt untersagt.
Dagegen wehrt sich der Bauer und bekämpft das Tierhalteverbot im März 2012 bis vor Bundesgericht – ohne Erfolg! Doch nun fehlt den Thurgauer Behörden eine Vollstreckungsverfügung, um den Hof zu räumen. Wieder geht es durch alle Instanzen. Bis im Oktober 2013 das Bundesgericht entscheidet, auch diesen Rekurs zu versenken.
Während der Wartezeit zwischen den Urteilen bleibt Landwirt R. nicht untätig: Er verpachtet seinen Betrieb kurzerhand an seinen Neffen Ueli R.*, der damals gerade mal 20-jährig ist. Das Bundesgericht bewertet das als illegal: «Der Beschwerdeführer verkennt, dass die Verpachtung an einen Verwandten in Verbindung mit der Tatsache, dass er selbst trotz des Tierhalteverbots weiterhin auf dem Hof lebt, missbräuchlich erscheint.»
Kanton gibt zu, Tierhalteverbote nicht zu vollstrecken
Möglicher Missbrauch. Es könnte sich um eine Scheinpacht handeln. Anwohner bestätigen: «Diesen Ueli haben wir noch nie gesehen. Andreas R. macht bis heute weiter, als wäre nichts geschehen!»
Was sagen die Behörden dazu? Der zuständige Kantonstierarzt Paul Witzig (62) und sein Departementschef Walter Schönholzer (51) beziehen gegenüber BLICK keine Stellung. Stattdessen schreibt der kantonale Informationschef Walter Hofstetter: «Wenn zwischen dem Erlass eines Tierhalteverbots und dem Erwachsen in Rechtskraft durch einen Bundesgerichtsentscheid etwa vier Jahre vergehen, dann können sich die Voraussetzungen in der Tierhaltung entscheidend verbessert haben. Es gibt Betriebe im Thurgau, wo aus diesem Grund ein rechtskräftiges Tierhalteverbot nicht vollstreckt worden ist.» Heisst also: Wer vehement auf die Barrikaden geht und auf Zeit spielt, kann im Thurgau solche Entscheide aushebeln!
Genau diesen Anschein erweckt auch Andreas R. Als BLICK ihn besucht, behauptet er trotz eindeutiger Beweislage: «Mein Neffe führt den Betrieb!» Als der Reporter das anzweifelt, verweist der Landwirt auf seinen Anwalt. Dieser vertrat auch schon einen gewissen Ulrich K. aus Hefenhofen.
Herr über 60 Kühe, die er nicht halten dürfte
Es folgt eine Stallbesichtigung. Fotografieren verboten. «Ich habe hier im Moment 60 Tiere und bin immer für sie da», verrät R. Kein Zweifel: Das sind seine Tiere. Einer der Anrainer beschwert sich deswegen bei Kantonstierarzt Paul Witzig (62) über den wohl illegalen Bauern.
Dieser schreibt im August 2016 zurück: «Zum heutigen Zeitpunkt sehe ich trotzdem keinen Anlass, von meiner Aussage im Telefongespräch abzuweichen, dass im Zuständigkeitsbereich des Veterinäramtes kein Handlungsbedarf besteht.» Ein weiterer Freibrief für R.
R. will gar seinen Stall erweitern
Der Bauer schmiedet gar Ausbaupläne: Auf seinem Grundstück soll eine neue Remise entstehen – inklusive Rinderstall! «Wir haben das Gesuch nach einer Begehung diesen Frühling formell zurückgewiesen», sagt Gemeindepräsident Ruedi Zbinden (55). Brisant: Beim Termin waren laut Zbinden mehrere Kantonsvertreter anwesend.
Dort legt der Informationsbeauftragte grossen Wert auf Beschwichtigung: «Auf solche Höfe wird ein besonderes Augenmerk gerichtet. Werden neue Verstösse festgestellt, werden geeignete Massnahmen ergriffen, d.h. zielgerichtet, zweck- und verhältnismässig.» Es gebe keine Anhaltspunkte, dass in Fällen, wo ein rechtskräftiges Tierhalteverbot nicht umgesetzt sei, ein zweiter Fall Hefenhofen am Entstehen sei.
* Namen der Redaktion bekannt
Der Fall Hefenhofen bereitet der Thurgauer Regierung Kopfzerbrechen. Gestern wurde bekannt, dass diese nun eine externe Untersuchungskommission einsetzen möchte. Nachdem BLICK die Missstände auf dem Hof des Pferdezüchters K. aufgedeckt hat, soll nun der Vollzug des Tierschutzgesetzes im Kanton von einer externen Untersuchungskommission durchleuchtet werden. Ziel sei es, das Tierschutzgesetz konsequent durchzusetzen sowie allfällige Lücken im Vollzug aufzudecken. Durch diese Aufarbeitung will die Regierung weiteres Tierleid vermeiden.
Der Fall Hefenhofen bereitet der Thurgauer Regierung Kopfzerbrechen. Gestern wurde bekannt, dass diese nun eine externe Untersuchungskommission einsetzen möchte. Nachdem BLICK die Missstände auf dem Hof des Pferdezüchters K. aufgedeckt hat, soll nun der Vollzug des Tierschutzgesetzes im Kanton von einer externen Untersuchungskommission durchleuchtet werden. Ziel sei es, das Tierschutzgesetz konsequent durchzusetzen sowie allfällige Lücken im Vollzug aufzudecken. Durch diese Aufarbeitung will die Regierung weiteres Tierleid vermeiden.
Kommentar von Ostschweiz-Korrespondent Marco Latzer
Im Thurgau braucht es zwei Dinge, um ein rechtskräftiges Tierhalteverbot gezielt zu umgehen: Dreistigkeit und einen langen Atem. Bauer Andreas R. kann seinen Betrieb weiterführen, weil sein Verbotsverfahren vom ersten Bescheid bis zum letzten Urteil vier Jahre gedauert hat. Die Verhältnisse könnten sich ja zwischenzeitlich verbessert haben. Die Verantwortlichen gestehen gar ein, dass es noch weitere solcher Höfe gibt. Das macht fassungslos. Und wütend.
Wer sich auf seinem Hof genügend renitent verhält, wird nicht angetastet und kann weiterwursteln. Es ist Wegschauen auf höchstem Niveau und ein Freibrief für alle Tierquäler. Zustände wie in einer Bananenrepublik.
Ganz zu schweigen vom Hohn für alle Bauern, die sich redlich bemühen, die gesetzlichen Bestimmungen auf ihrem Betrieb einzuhalten. Dieser Kanton akzeptiert rechtsfreie Räume, in denen das Tierschutzgesetz nur noch toter Paragraph ist.
Kommentar von Ostschweiz-Korrespondent Marco Latzer
Im Thurgau braucht es zwei Dinge, um ein rechtskräftiges Tierhalteverbot gezielt zu umgehen: Dreistigkeit und einen langen Atem. Bauer Andreas R. kann seinen Betrieb weiterführen, weil sein Verbotsverfahren vom ersten Bescheid bis zum letzten Urteil vier Jahre gedauert hat. Die Verhältnisse könnten sich ja zwischenzeitlich verbessert haben. Die Verantwortlichen gestehen gar ein, dass es noch weitere solcher Höfe gibt. Das macht fassungslos. Und wütend.
Wer sich auf seinem Hof genügend renitent verhält, wird nicht angetastet und kann weiterwursteln. Es ist Wegschauen auf höchstem Niveau und ein Freibrief für alle Tierquäler. Zustände wie in einer Bananenrepublik.
Ganz zu schweigen vom Hohn für alle Bauern, die sich redlich bemühen, die gesetzlichen Bestimmungen auf ihrem Betrieb einzuhalten. Dieser Kanton akzeptiert rechtsfreie Räume, in denen das Tierschutzgesetz nur noch toter Paragraph ist.