Vor dem Luzerner Kriminalgericht hat am Dienstag der Prozess gegen sechs mutmassliche Beteiligte an einem Schmuckraub in der Höhe von 20 Millionen Franken begonnen. Die Darstellung der Staatsanwaltschaft, dass die Tat gemeinschaftlich geplant und abgewickelt worden sei, wurde bestritten.
Der Überfall am Luzerner Schwanenplatz auf das Geschäft Gübelin war am 26. Oktober 2019 begangen worden. Zwei maskierte Männer drangen um 8 Uhr durch den elektronisch gesicherten Personaleingang in das Geschäft ein. Einer fesselte und bewachte die drei anwesenden weiblichen Angestellten. Der andere, welcher als Anführer auftrat und im Besitz einer Pistole war, leerte die Tresors.
Mit vier Taschen voller Schmuck flohen die Täter gemäss Anklageschriften. Der Anführer versteckte die Beute in einem Wald in Littau und danach in einer Wohnung in der Nähe. Einen Tag später klickten dort die Handschellen, weitere Verhaftungen folgten.
Elf Jahre Knast und Landesverweis gefordert
Die Staatsanwaltschaft beantragte für die 32 bis 61 Jahre alten Männer Freiheitsstrafen zwischen sieben und elf Jahren sowie für die vier ohne Schweizer Pass zusätzlich einen Landesverweis für die Dauer von 15 Jahren.
Für einen siebten Mann – derjenige, welcher am Überfall als Gehilfe fungierte … gibt es ein separates und abgekürztes Verfahren. Der Montenegriner ist der einzige vollständig Geständige und ein wichtiger Zeuge. Seine Aussagen seien «glaubwürdig und nachvollziehbar», sagte der Staatsanwalt. Eine solche Geschichte könne man sich nicht aus den Fingern saugen.
Der Staatsanwalt geht davon aus, dass die Männer den Raub gemeinsam und arbeitsteilig organisierten und durchführten. Einer, der bei Gübelin arbeitete, soll die für die Tat nötigen Informationen geliefert und einer soll den Gehilfen engagiert haben, andere sollen ihre Wohnung oder ihr Bordell als Unterschlupf zur Verfügung gestellt oder Chauffeurdienst organisiert haben.
Täter überfiel den Laden bereits in 2017
Ein 46-jähriger Beschuldigter gab vor Gericht zu, dass er den Überfall mit einer Pistole durchgeführt habe und dabei das Kommando hatte. Insiderinformationen von einem Gübelinangestellten habe er aber keine gehabt. Den Code zum Öffnen des Personaleingangs habe er mithilfe einer heimlich installierten Kamera herausgefunden. Die anderen Mitbeschuldigten hatten gemäss seinen Aussagen nichts oder nur wenig von seiner von ihm geplanten Tat gewusst oder erst im Nachhinein davon erfahren und ihm geholfen.
Gemäss Anklage hatte der 46-Jährige bereits 2017 dasselbe Schmuckgeschäft überfallen und eine Beute von 3 Millionen Franken gemacht. Der Beschuldigte bestritt dies. In Serbien verbüsste er zudem eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen Raubes. Nach eigenen Angaben führte er in Montenegro einen Bauernhof. Er sei ein Berufskrimineller, sagte der Staatsanwalt und forderte eine Strafe von elf Jahren.
Ein 57-jähriger Beschuldigter bestritt den Vorwurf des Staatsanwalts, als Juwelier ein Hauptorganisator des Raubes gewesen zu sein. Richtig sei nur, dass er für den Gehilfen das Ticket in die Schweiz organisiert und bezahlt habe. Dass er in der Wohnung, in der die Beute versteckt war, verhaftet wurde, erklärte er damit, dass er dort Gast gewesen sei. Er habe in der Schweiz ein Auto kaufen wollen, sagte der Nordmazedonier. Auf dessen Handy habe es aber nur Fotos von Schmuck und nicht von Autos gegeben, sagte dazu der Staatsanwalt.
Täter reden sich raus
Der Wohnungsbesitzer – bei ihm liefen laut Staatsanwalt die Fäden zusammen – war nach eigener Darstellung ungewollt in die Sache gerutscht. Der Räuber sei plötzlich mit der Beute bei ihm aufgetaucht. Der 50-jährige Montenegriner bestritt, den Gübelin-Mitarbeiter in Banja Luka zur Vorbereitung der Tat getroffen zu haben. Er könne diesen in Luzern, Emmen oder in der Kirche treffen, es gebe keinen Grund, dazu nach Bosnien zu fahren.
Weitere Mitbeschuldigte bestritten direkte Tatbeteiligungen, obwohl Chatprotokolle diese gemäss Staatsanwaltschaft belegen. Ein 32-jähriger Schweizer, der das von ihm geführte Bordell als Unterkunft den mutmasslichen Tätern zu Verfügung gestellt hatte, sagte, er könne die Beschuldigung nicht verstehen.
Staatsanwalt glaubt den Angeklagten nicht
Ein 38-jähriger in der Schweiz geborene Bosnier machte nur wenige Aussagen. Auf die Frage, wieso er bei der Verhaftung in der Wohnung, in der auch die Beute deponiert war, 15'000 Franken bei sich hatte, sagte er, er habe eine Miete zahlen wollen. Auf die Frage, wieso er dies bar tun wollte, antwortete er: «Wie soll ich sonst zahlen?»
Der frühere Mitarbeiter von Gübelin, der die für den Raub nötigen Informationen geliefert haben soll, sagte: «Ich war in keiner Art und Weise beteiligt». Das Strafverfahren sei ein grosses Unrecht, unter dem er gesundheitlich leide, sagte der 61-jährige Schweizer.
Für den Staatsanwalt gab es aber keine Zweifel an der Schuld aller sechs Männer. Die Ermittlungen zu diesem «spektakulären Millionenraub» seien intensiv und umfassend gewesen, sagte er. Der Prozess wird am Mittwoch mit den Plädoyers der Verteidiger fortgesetzt.(SDA)