Syrien
Uno: Unmenschliche Zustände in Flüchtlingslagern in Syrien

Uno-Experten prangern die Zustände an, unter denen Flüchtlinge in Lagern in Syrien eingepfercht sind - und sie kritisieren die schleppende Rückführung von ausländischen Frauen und Kindern aus ehemaligen Kampfgebieten in Syrien scharf .
Publiziert: 11.09.2019 um 17:17 Uhr
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Die Zustände im Lager Al-Hol seien menschenunwürdig, berichtete eine unabhängige Untersuchungskommission zu Syrien am Mittwoch in Genf. Mindestens 390 Kinder seien dort in diesem Jahr wegen Mangelernährung oder Infektionen gestorben, die bei richtiger Versorgung überlebt hätten.

Die Kommission wurde vom Uno-Menschenrechtsrat eingesetzt und berichtete über die Lage in Syrien zwischen Januar und Juli 2019. Im Lager AL-Hol seien unter den rund 70'000 Menschen 11'000, die als Angehörige von Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gelten, darunter etwa 3500 Kinder, heisst es in dem Bericht.

Zusätzlich würden viele Jungen ab zwölf Jahren bereits als Terroristen verdächtigt und separat mit erwachsenen Kämpfern festgehalten. Das sei ein Verstoss gegen Kinderrechte. Die Minderjährigen seien womöglich Folter ausgesetzt.

Die Kommission kritisiert die schleppende Rückführung von Frauen und Kindern ausländischer Kämpfer. «Den Eltern die Staatsbürgerschaft abzuerkennen hat ernsthafte und negative Folgen für die Kinder», sagte der Kommissionsvorsitzende Paulo Pinheiro. «Auch die Praxis, Kinder ohne ihre Mütter in das Heimatland zurückzuholen, verstösst gegen das Prinzip, im besten Interesse des Kindes zu handeln.»

«Wir haben keine Illusionen über die Gefahren und Risiken der Rückführung von Müttern, die sich mit der Terrormiliz IS eingelassen haben», sagte er. «Aber es gibt mehrere Länder, die Hunderte Menschen zurückführen. Und es gibt andere Länder mit grossen Ressourcen, die nicht tun, was sie tun müssten.»

Er kritisierte auch die vom deutschen Innenminister Horst Seehofer und anderen ins Spiel gebrachte Idee eines internationalen Sondergerichts, um IS-Kämpfern den Prozess zu machen. «Wenn man nichts tun will, schlägt man ein neues Tribunal vor,» sagte er.

Die schleppende Rückführung berge die Gefahr, dass Frauen und Kinder sich weiter radikalisierten. Solche Frauen hätten in den Lagern schon andere Frauen geschlagen und ihre Zelte niedergebrannt, weil sie sie als Ungläubige verunglimpften.

Im Al-Hol-Lager seien auch viele Jesidinnen mit Kindern, die zusammen mit den Familien ihrer Kidnapper angekommen seien. Dschihadisten hatten seit 2014 Tausende Frauen und Kinder der religiöse Minderheit der Jesiden versklavt.

Insgesamt zeichnet die Kommission ein düsteres Bild. Die Regierung hat zwar nach mehr als acht Jahren Bürgerkrieg zwei Drittel des Landes wieder unter Kontrolle, und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verlor im Frühjahr ihre letzte Bastion. Aber die Luft- und Boden-Offensiven regierungstreuer Milizen gegen Terrorgruppen in Idlib und der Provinz Hama seien seit Februar dramatisch eskaliert.

Dabei seien Spitäler, Märkte, Bildungseinrichtungen und Agrarflächen zerstört worden. Der Schluss liege nahe, dass die regierungstreuen Milizen bewusst medizinische Einrichtungen attackierten. «Solche Angriffe könnten ein Kriegsverbrechen sein», schrieb die Kommission.

Hunderte Zivilisten seien in der Region ums Leben gekommen, Hunderttausende hätten fliehen müssen. Insgesamt seien bis Ende Juli rund 13 Millionen Syrer vertrieben worden. Der Syrienkonflikt war im März 2011 ausgebrochen. Damals lebten rund 21 Miilionen Syrer in dem Land.

Auch in der von protürkischen Rebellen kontrollierten Region Afrin im Nordwesten Syriens sehen die Ermittler mögliche Kriegsverbrechen. Es gebe dort Berichte über Geiselnahmen, Misshandlungen und Folter durch bewaffnete Gruppen. Bei den entführten Opfern handle es sich oft um Kurden, aber auch um wohlhabende Personen.

Die Türkei und mit ihnen verbündete syrische Regierungsgegner waren im Januar 2018 in das bis dahin von Kurden kontrollierte Gebiet einmarschiert.

Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Syriens würden Zivilisten willkürlich verhaftet oder von Milizen auf Regierungsseite entführt. Darunter seien Menschen, die in der Hoffnung auf eine Befriedung zurückgekehrt waren. Viele blieben verschwunden.

«Hunderte Familien wurden in diesem Jahr ohne viel Erklärungen informiert, dass ihre vermissten Verwandten nicht mehr leben», schrieb die Kommission.

(SDA)

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