Bis zu 300'000 neue Vertriebene
Syrische Truppen dringen weiter in Rebellengebiet vor

Bodentruppen der syrischen Regierung von Präsident Baschar al-Assad sind bei ihrer jüngsten Angriffswelle laut Aktivisten weiter in die letzte grosse Rebellenhochburg im Nordwesten des Landes vorgedrungen.
Publiziert: 08.05.2019 um 21:18 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2019 um 15:34 Uhr
Ein Helfer der Organisation Weisshelme sucht unter den Trümmern eines Hauses nach möglichen Opfern. Das Haus im Dorf Ras al-Ain in der Provinz Idlib wurde durch Luftangriffe von Regierungstruppen zerstört. (Bild vom 7. Mai).

Nach Artilleriebeschuss und Luftangriffen hätten die Truppen grosse Teile der Kleinstadt Kafr Nabuda in der Provinz Hama eingenommen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch meldete. Die Schweiz zeigte sich besorgt über die Lage in der Region.

Kafr Nabuda liegt auf einer wichtigen Versorgungsroute für die syrischen Rebellen. Sie führt von Kalat al-Mudik im Nordwesten der Provinz zum Rebellenort Chan Scheichun. Mit dem Vormarsch der syrischen Truppen sei dieser Versorgungsweg abgeschnitten, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle, Rami Abdel-Rahman.

Nach Angaben eines Aktivisten verstärkte die Regierung auch ihre Luftangriffe in benachbarten Gebieten, unter anderem in Chan Scheichun. «Es regnet Fassbomben auf die Häuser von Zivilisten», sagte der Aktivist. Dort kamen nach Angaben der Rettungsorganisation Weisshelme mindestens drei Menschen ums Leben.

Die von der Türkei unterstützten Rebellen bestritten den Rückschlag. «Unsere Kämpfer konnten sich gegen den versuchten Vormarsch des Regimes und dessen Verbündeten wehren», sagte der Sprecher der Nationalen Befreiungsfront, Nadschi Mustafa, der Nachrichtenagentur DPA.

Syriens Regierung und ihr Verbündeter Russland hatten vergangene Woche eine Angriffswelle auf die Rebellenhochburg in den Provinzen Idlib und Hama gestartet. Auch Kliniken und Gesundheitszentren wurden bombardiert.

In der Region rund um Idlib leben rund drei Millionen Zivilisten, etwa die Hälfte davon Vertriebene. Durch die neuen Kampfhandlungen wurden nach Uno-Angaben mehr als 150'000 Menschen vertrieben. Die Gesundheitsbehörde Idlibs geht von 300'000 Vertriebenen aus.

Russland sowie die Türkei als Verbündeter der Opposition hatten die Region Idlib zu einer so genannten Deeskalationszone erklärt und sich im September im russischen Sotchi auf eine entmilitarisierte Pufferzone geeinigt.

Sie soll eine Offensive der Regierung verhindern, mit der die Regierung droht. Die Region rund um Idlib ist nach acht Jahren Bürgerkrieg das letzte grosse Rebellengebiet Syriens.

Die Schweiz ist besorgt über die Kampfhandlungen, wie das Aussendepartement EDA am Mittwoch mitteilte. Das EDA appellierte an alle beteiligten Konfliktparteien und Staaten, insbesondere die Unterzeichnerstaaten des Sotchi-Abkommens vom 17. September 2019, Russland und die Türkei, über den Verhandlungsweg auf eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen hinzuwirken.

Eine Wiederaufnahme des Uno-Friedensprozesses in Genf sei unerlässlich, um dem Leiden der syrischen Bevölkerung ein Ende zu setzen, erklärte das EDA weiter. Nur auf diesem Wege könne ein dauerhafter, breit abgestützter Frieden für Syrien erzielt werden.

In New York beantragten Deutschland, Belgien und Kuwait eine Sondersitzung des Uno-Sicherheitsrats. Das bestätigte die deutsche Uno-Botschaft der Nachrichtenagentur DPA. Das Treffen ist für Freitag geplant.

Das Rebellengebiet rund um Idlib wird vor allem von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) kontrolliert. Diese verübte nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle am Mittwoch einen Selbstmordanschlag auf Regierungstruppen mit mehreren Opfern. Ein Aktivist berichtete der DPA von mindestens zehn Toten und Dutzenden Verletzten auf Seite der Regierung und deren Verbündeten.

(SDA)

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