Winterthurer Pöbelpolizist vor Gericht
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Video geht viral:Autofahrer von Winterthurer Polizist angegriffen

Staatsanwalt fordert bedingte Freiheitsstrafe und Busse
Winterthurer Pöbelpolizist vor Gericht

Das Ausraster-Video eines Winterthurer Stadtpolizisten (47) aus dem Innendienst ging viral: Er bremste ein Auto aus, beschimpfte und bedrohte den Fahrer aufs Derbste. Heute muss er sich vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten.
Publiziert: 03.09.2021 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2021 um 15:20 Uhr
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Der Polizist hielt bei einer privaten Fahrt einen Autofahrer an und beschimpfte ihn.
Foto: Zvg
Beat Michel

Er liess seiner Wut freien Lauf und muss jetzt, zwei Jahre nach der Aktion, dafür geradestehen: der ehemalige Winterthurer Stadtpolizist Alfredo G.* (47). Er bremste einen anderen Autofahrer aus, beschimpfte und bedrohte ihn mit gezücktem Polizeiausweis, obwohl er zivil unterwegs war. Keine gute Idee für einen Beamten!

Er muss sich heute für Amtsanmassung, mehrfache vorsätzliche grobe Verletzung der Verkehrsregeln, Nötigung, Beschimpfung und Tätlichkeiten vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten.

Seinen Ausraster haben Hunderttausende im Internet gesehen. Der Angehaltene, der tunesische Transportunternehmer Mustafa A.* (37), filmte die ganze Aktion mit dem Handy und stellte die Aufnahme online. Ein riesiger Shitstorm, die sofortige Suspendierung und schliesslich der freiwillige Abgang waren die Folge. Alfredo G.s Polizeikarriere war damit besiegelt. Gegen Mustafa A. läuft ein separates Verfahren, Alfredo G. hat ihn ebenfalls angezeigt. Trotz der Filmaufnahmen gilt die Unschuldsvermutung.

Wildwest auf dem Nordring

Die Anklage listet die Pöbelaktion bis ins Detail auf. Mit seinem privaten Audi S4 ist Alfredo G. im September 2019 auf dem stark befahrenen Nordring in Richtung Zürich unterwegs. Es ist Nachmittag, es regnet stark. Die Ehefrau und die beiden Kinder sind ebenfalls im Auto.

Eineinhalb Kilometer nach dem Zürcher Gubristtunnel fährt der Beamte auf der Überholspur, als plötzlich ein Citroën C4 knapp vor ihm ebenfalls auf die linke Spur wechselt. G. hätte bremsen können, doch ihn sticht der Hafer. Er wechselt auf die rechte Spur und versucht zu überholen.

Anklage: Das ist Amtsanmassung

Als das nicht gelingt, zwängt er sich wieder hinter den C4, laut Anklageschrift in eine völlig unzureichende Lücke. Der Polizist in Zivil überholt erneut rechts und setzt seinen Audi vor den Citroën. Er öffnet das Fenster und wedelt mit seinem leuchtend orangen Polizeiausweis. Es ist eine klare Aufforderung an den Lenker hinter ihm, seinem Auto zu folgen. Er tut dies, obwohl er sich ausserhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereichs befindet, so die Anklage. Er habe in der Absicht gehandelt, den Lenker des Citroën zum Anhalten zu bringen, um ihn massregeln zu können. Das liege ausserhalb seiner Kompetenzen, das sei Amtsanmassung.

Bei der Ausfahrt Zürich-Seebach verlässt der wütende Beamte die A1 und hält noch im einspurigen Bereich an. Er steigt aus und geht wild gestikulierend zum gestoppten C4. Mit umgehängtem Polizeiausweis schreit er durch das offene Fahrerfenster. Er nennt den Lenker «Hurensohn» und schreit: «Dich mache ich fertig!» Im Auto sitzt weinend die kleine Tochter von Mustafa A., völlig verängstigt. Für Alfredo kein Grund, sich zu mässigen.

Erneute Rechtsüberholaktion

Als der Autofahrer nicht wie befohlen auf die Baustelle fährt, führt der Polizist laut Anklage sogar eine Schlagbewegung in Richtung Kopf des Klägers aus. Als der Tunesier weiterfährt, zwingt er ihn mit einer Rechtsüberholaktion erneut anzuhalten und droht damit, dass er wisse, wo Mustafa A. wohne.

Die Staatsanwaltschaft fordert für den Ex-Polizisten im Innendienst eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten und eine Busse über 3600 Franken.

*Namen geändert


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