Christine Brassel ist besorgt: «Wir haben zu wenige Freiwillige», sagt die Geschäftsleiterin von Benevol Biel. Die Fachstelle für Freiwilligenarbeit vermittelt Helfer an gemeinnützige Organisationen. Doch das Gratisengagement der Jugend lässt zu wünschen übrig.
Deshalb veranstaltete Benevol Biel vergangenen Donnerstag im Bieler Trendlokal «La Werkstadt» ein Speeddating. Zwölf regionale Hilfswerke warben um Freiwillige, darunter ein Altersheim und die Dargebotene Hand.
Einsamkeit bewegt
Im Zehn-Minuten-Takt schlägt Christine Brassel den Gong. Louis Artini (57) wechselt schon zum zweiten Mal das Tischchen mit einem Match. Bei den Bieler Lauftagen empfahl er sich als Parkplatzwächter, im Altersheim Ruferheim als Grilleur für Festwürste. Der Chauffeur aus Biel BE arbeitet zu 60 Prozent, will sich aber auch in den restlichen 40 gebraucht fühlen. «Die Freiwilligenarbeit hat mich aus einem Loch geholt», sagt Artini. Nachdem ihn seine Frau verliess, mied er Gesellschaft – bis er durch seine Mithilfe in einem Altersheim wieder Mut schöpfte. Nun lechzt er nach dem Erlebnis von Hingebung und Dankbarkeit und knüpft im Rhythmus des Gongs Kontakte.
Die Einsamkeit ist auch auf der anderen Seite des Tisches ein starkes Motiv. «Alte Menschen vereinsamen», sagt Evelin Nünlist, die für das Altersheim Ruferheim aus Nidau BE nach Jasspartnern und Rollstuhlschiebern sucht. Ein Altersheim könne gar nicht genug Hilfe bekommen. «Pfleger haben oft keine Zeit für Gespräche», sagt Nünlist, Kinder und Enkel seien immer seltener bei Grosi und Ätti zu Besuch. Dabei hätten alte Menschen grösste Freude an der Jugend. Nünlist: «Mit Jungen reden, hält jung.»
Der Besuch der jungen Dame
Auch beim heutigen Speeddating macht sich die Jugend rar. Der Altersdurchschnitt überrascht Veranstalterin Christine Brassel nicht: «Die meisten unserer Freiwilligen sind pensioniert oder arbeitslos.» Junge Menschen engagierten sich eher in Vereinen – falls Beruf und Familie es zuliessen. Dafür hat sich Louis Artini jetzt noch im Jugendkulturhaus X-Project eingeschrieben.
Kurz vor Feierabend senkte Eva Jankovics mit ihren 28 Jahren doch noch das Durchschnittsalter. Sie liebäugelt mit dem Angebot eines Mannes, der mit einer Telefonnummer auf dem Hemd für sich wirbt: Christophe Amstutz, Geschäftsleiter der Dargebotenen Hand (Telefon 143).
Rund 90 anonyme Zuhörer sind nonstop für das Hilfswerk erreichbar und leisten stille Hilfe für Menschen mit himmelschreienden Problemen. «Ich hatte Freunde, die Selbstmord begingen», sagt Eva Jankovics mit erschütternder Selbstverständlichkeit. Auch deshalb will sie am Telefon zuhören: «Im Alltag sind wir oft zu gestresst, um hinzuhören, wenn andere Hilfe brauchen», sagt die junge Frau.
Ein Ehrenamt sei für sie Ehrensache.