So managen Sulzer und Schindler die Corona-Krise
Dividendenerhöhung im Frühling, Entlassungen im Sommer

Die beiden Traditionsunternehmen gaben diese Woche einen Stellenabbau bekannt. Während des Lockdowns wurden aber noch Dividenden in Millionenhöhe genehmigt.
Publiziert: 25.07.2020 um 23:31 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2020 um 21:53 Uhr
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Mitten im Lockdown, am 15. April: Die Aktionäre des Winterthurer Industriekonzerns Sulzer genehmigen eine Dividendenerhöhung von 3.50 auf 4.00 Franken. Statt 120 werden 137 Millionen Franken aus dem Konzern genommen.
Foto: Keystone
Thomas Schlittler

Mitten im Lockdown, am 15.April: Die Aktionäre des Winterthurer Industriekonzerns Sulzer genehmigen eine Dividendenerhöhung von 3.50 auf 4.00 Franken. Statt 120 werden 137 Millionen Franken aus dem Konzern genommen. 67 Millionen gehen an Viktor Vekselberg (63). Der russische Oli­garch hat aufgrund der gegen ihn verhängten US-Sanktionen momentan aber keinen Zugriff auf dieses Geld. Es liegt bis auf weiteres auf einem Sperrkonto in den USA.

In einer Medienmitteilung erklärte Sulzer-Verwaltungsratspräsident Peter Löscher (62) damals, wieso die Erhöhung trotz Corona vertretbar sei: «Unser Vorschlag, die bereits angekündigte Dividende beizubehalten, ist ein Beweis für unsere starke Bilanz und unser Vertrauen in die Widerstandsfähigkeit von Sulzer.»
Drei Monate später: Sulzer streicht in der Division Chemtech an den Standorten Winterthur ZH und Allschwil BL 55 Stellen – wegen Corona. Die Halbjahreszahlen offenbaren zudem, dass der Mitarbeiterbestand von Ende 2019 bis Mitte 2020 um 900 Stellen geschrumpft ist, von weltweit 16 500 auf 15'600.

«Mitarbeitende sind wertvollstes Gut»

Hat der Konzern die Krise unterschätzt? Und wie passt dieses Vorgehen mit den ­Mitarbeiter-Huldigungen von Präsident Löscher und CEO Greg Poux-Guillaume zusammen? Diese verkündeten im Jahresbericht 2019: «Der Mensch steht im Mittelpunkt. Unsere Mitarbeitenden sind unser wertvollstes Gut.»

Die Sulzer-Medienstelle mag auf diesen Widerspruch nicht eingehen. Stattdessen wird die Dividendenerhöhung nach wie vor verteidigt.

Den tieferen globalen Personalbestand erklärt Kom­munikationschef Domenico Truncellito derweil mit einem Einstellungsstopp, natürlicher Fluktuation und einem Abbau von Temporärstellen. Die Entlassungen bei Chemtech wiederum seien dem schwierigen Marktumfeld für Chemieanlagen und Raffinerien geschuldet.

Immerhin, einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es für die betroffenen Mitarbeiter noch: Gemäss Truncellito versucht Sulzer in anderen Bereichen des Konzerns eine Stelle für sie zu finden.

Schindler will 2000 Stellen streichen

Von Winterthur nach Ebikon LU: Auch der Lift- und Rolltreppenhersteller Schindler wird von Corona hart getroffen. Der Konzern mit weltweit aktuell rund 65'000 Mitarbeitern hat am Freitag angekündigt, dass er in den nächsten zwei Jahren rund 2000 Stellen streichen werde, etwa zehn Prozent davon in der Schweiz.

Pikant: Am 19. März genehmigten die Schindler-Aktionäre eine Dividendenausschüttung von 431 Millionen Franken. 190 Millionen Franken davon gingen an die Inhaber-Fami­lien Schindler und Bonnard. Der bekannteste Vertreter der Unter­nehmerdynastie: AlfredN. Schindler (71), bis 2017 Verwaltungsratspräsident des Konzerns.

Rechtfertigung gegenüber Mitarbeitenden

Wie rechtfertigt das Familienunternehmen dieses Vorgehen – hier Dividendenausschüttungen, dort Entlassungen – gegenüber den Mitarbeitenden?

Kommunikationschefin Nicole Wesch: «Die Dividende für 2019 wurde Mitte ­Februar vorgeschlagen und an der Generalversammlung Mitte März verabschiedet. Zu diesem Zeitpunkt war die rasante Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Lage in den Folgemonaten nicht absehbar.»

Zumindest ein Anflug des Bedauerns ist herauszuhören. Einen ­neuen Job können sich die ­entlassenen Mitarbeiter davon aber nicht kaufen.

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