Ruth Anker (63) aus Biel wollte schon immer Polizistin werden. Doch früher blieb Frauen der Beruf verwehrt. «Ich bin einfach zu früh auf die Welt gekommen», sagt sie. Als sie schliesslich die Ausbildung als Polizeihostess absolvieren konnte, ging für Anker ein Traum in Erfüllung. Als Verkehrsbeamtin leitete sie die Autos durch die Stadt. Heute, 41 Jahre später, durfte Anker ein letztes Mal auf der Verkehrskanzel stehen, die anlässlich ihrer Pensionierung aus dem Archiv geholt wurde.
«Ich habe mich wie vor 20 Jahren gefühlt, als wäre keine Zeit verstrichen», freut sich Anker. Blickt sie zurück auf ihre über 40 Dienstjahre, bleibt ihr vor allem eine Begegnung in Erinnerung: Im Feierabendverkehr hielt einst ein Auto mit Zürcher Nummer neben ihr. Als der Fahrer das Fenster herunterliess, traute Anker ihren Augen nicht. Ausgerechnet Jörg Schneider sass am Steuer und fragte nach dem Weg zum Kino. «Was für eine Überraschung! Ich war ein riesiger Fan von ihm und den Kasperlikassetten», sagt sie. Mit Händen und Füssen habe sie versucht, den Weg zu erklären. Ausgerechnet ihr Chef meinte später: «Also Fräulein, wären Sie doch einfach zu ihm ins Auto gestiegen und mitgefahren!» Doch dafür war Ruth Anker viel zu gewissenhaft.
Beschimpfungen nehmen zu
Diese Gewissenhaftigkeit bewahrte sich Anker über all die Jahre. Sie blieb ruhig, wenn andere laut wurden. Die Stimmung gegenüber Beamten habe sich stark verändert. Besonders in den letzten Jahren seien viele Menschen egoistischer und unfreundlicher geworden, sagt sie: «Heute wird man fast jeden Tag verbal angegangen, beschimpft.» Früher hätte eine Uniform den Menschen Respekt eingeflösst, mittlerweile löse sie aber öfter gegenteilige Wirkung aus.
Dass die Ordnungshüter nicht bei allen geschätzt werden, musste die 63-Jährige auch selber schmerzlich erfahren: Als sie vor mehreren Jahren bei einem Schulhaus Autos kontrollierte, flog ihr plötzlich ein Knallkörper um die Ohren. Anker leidet seither an einem Tinnitus.
Die Freude am Kundenkontakt hat Ruth Anker aber nie verloren. Und jetzt mit ihrer Pensionierung bleibt endlich mehr Zeit für ihr Hobby übrig: Sie steuert Limousinen für den Bund. Namhafte Persönlichkeiten aus der Politik kutschiert sie durch Bern. «Darauf freue ich mich sehr», sagt sie. Ihre ehemaligen Kolleginnen und Kollegen wünschen ihr alles Gute: «Wie bedanken uns ganz herzlich bei Frau Anker und wünschen ihr für die kommende Zeit nach der Pensionierung viel Freude und stets gute Fahrt», schreibt André Glauser, Leiter Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel.