Sie führten Mafiosi ab und vor
Skandal um italienische Polizisten im Wallis

Bei der Verhaftung eines Mafioso im Wallis packten Beamte der italienischen Polizia di Stato zu und filmten. Damit machten sie sich wohl strafbar.
Publiziert: 13.03.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:56 Uhr
Walliser Mafioso in Saas-Grund verhaftet
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Mafia-Video:Walliser Mafioso in Saas-Grund verhaftet
Cyrill Pinto

In einer koordinierten Aktion wurden am letzten Dienstag im Thurgau, in Zürich und im Wallis 15 Mafiosi verhaftet und in Auslieferungshaft gesteckt. Noch am gleichen Tag twitterte die italienische Polizia di Stato ein brisantes Video. Es zeigt zwei italienische Polizeibeamte. In ihrer Mitte: Antonio N.* (60), einer der 15 verhafteten Mafiosi. Er trägt Handschellen und wird aus seiner Wohnung in Saas-Grund VS abgeführt. Sie gehen mit ihm durchs Treppenhaus, setzen ihn in einen Kastenwagen.

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Antonio N. lebte mit seiner Frau in Saas-Grund.

Italienische Polizisten, die ­einen Mafioso im Oberwallis abführen? Dürfen die das?

«Nein», sagt Nadine Zurkinden (33) von der Universität Basel. Die Expertin für Strafrecht hat ihre Doktorarbeit über internationale Ermittlungsgruppen geschrieben und kennt die eng gesteckten Grenzen ausländischer Polizeiarbeit in der Schweiz genau. Nachdem sie das Video gesehen hat, kommt sie zum Schluss: «Die Polizisten aus Italien haben sich möglicherweise strafbar gemacht.» Weil sie ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornehmen, zu denen ausschliesslich Schweizer Behörden befugt sind. «Festnahmen sind ein typisches Beispiel dafür», sagt Zurkinden. Nur mit Bewilligung des Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) seien Amtshandlungen wie das Abführen von Verdächtigen allenfalls erlaubt – «aber die werden nur sehr restriktiv gewährt».

Tatsächlich lag eine solche Bewilligung für den Einsatz am Dienstag in Saas-Grund nicht vor, wie EJPD-Sprecher Lorenz Frischknecht sagt. Das ausführende Bundesamt für Polizei (Fedpol) versucht sich herauszuwinden. Zuerst stellt sich die Behörde auf den Standpunkt, die italienischen Polizisten seien bloss dabei gewesen. Antonio N. sei von der Walliser Kantonspolizei verhaftet worden. Anschliessend habe das Fedpol eine Hausdurchsuchung durchgeführt. «Am Schluss wurde die Person abgeführt», schreibt Cathy Maret vom Fedpol. Als SonntagsBlick das Video vorlegt, behauptet das Fedpol, es handle sich um «eine medienwirksame Inszenierung», aber nicht um eine Amtshandlung.

Expertin Zurkinden bleibt dabei: Was auf dem Video zu sehen sei, sei eine Amtshandlung – und von einer blossen Anwesenheit zu unterscheiden.

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Am Tag der Verhaftung twittert die Polizia di Stato dieses Video: Es zeigt Antonio N., abgeführt von Polizisten.
Foto: Screenshot: Polizia di Stato

Ob und welche Konsequenzen die skandalöse Polizeiaktion hat, war gestern unklar – zumal das Fedpol den Vorfall noch herunterspielt.

In der Zwischenzeit wartet Antonio N. auf seine Auslieferung an Italien. Er widersetzt sich einer Überstellung. Doch die dürfte nur Formsache sein: Er wurde in Reggio Calabria (I) wegen seiner Mitgliedschaft zur ’Ndrangheta zu neun Jahren Haft verurteilt.

Seinen Neffen Francesco N. (34) schnappte die Polizei in Stalden VS. Er wurde wegen seiner ’Ndrangheta-Zugehörigkeit zu sechs Jahren Haft verurteilt. In Visp VS durchsuchte die Polizei auf der Suche nach den Mafiosi drei weitere Wohnungen. Gleichzeitig setzten Schweizer Polizisten in den Kantonen Thurgau und Zürich zwölf weitere Mafiosi der Frauenfelder ’Ndrangheta-Zelle in Auslieferungshaft, sechs von ihnen sind seit Freitag gegen Kaution wieder frei und warten nun auf ihren Prozess in Kalabrien.

* Name der Redaktion bekannt

Das unauffällige Leben des Antonio N.

Der verurteilte Mafioso Antonio N. (60) führte in Saas-Grund VS ein unauffälliges Leben, arbeitete bis letzte Woche am Kinderskilift von Saas-Almagell. «Er wusste, dass er irgendwann seine Strafe absitzen muss», sagt eine Bekannte. Antonios Neffe Francesco N. (34) sitzt auch in Auslieferungshaft. Er lebte in Stalden VS und arbeitete als Betonfräser in Visp VS.

Antonio N. lebte mit seiner Frau in Saas-Grund.
Antonio N. lebte mit seiner Frau in Saas-Grund.

Der verurteilte Mafioso Antonio N. (60) führte in Saas-Grund VS ein unauffälliges Leben, arbeitete bis letzte Woche am Kinderskilift von Saas-Almagell. «Er wusste, dass er irgendwann seine Strafe absitzen muss», sagt eine Bekannte. Antonios Neffe Francesco N. (34) sitzt auch in Auslieferungshaft. Er lebte in Stalden VS und arbeitete als Betonfräser in Visp VS.

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