Beim Blick auf die Welt von heute müsse man jedoch eine «Schwächung» des Westens feststellen. Die amerikanische Politik habe sich geändert und die Regierung in Washington ihre Beziehungen zu Europa zumindest überprüft, stellte Macron fest.
Als Reaktion darauf forderte der Franzose erneut eine stärkere Zusammenarbeit Europas in Fragen der Verteidigung. Es brauche zwar auch das transatlantische Bündnis der Nato. Bei Fragen der Verteidigung müsse es aber einen strategischen Dialog geben.
Macron hatte zuletzt immer wieder gefordert, dass Europa sich unabhängiger von der Supermacht USA machen müsse - auch, wenn er die Zusammenarbeit mit Washington nicht grundsätzlich infrage stellt.
Zuvor hatte US-Aussenminister Mike Pompeo die Stärke des Westens beschworen und beteuert, dass sich die USA nicht aus der transatlantischen Allianz zurückzögen.
«Der Westen gewinnt, und wir gewinnen gemeinsam», sagte Pompeo. Er reagierte damit auf die scharfe Kritik des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der Washington am Freitag vorgeworfen hatte, «der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage» zu erteilen.
Bei den politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen setzt Macron in der EU vor allem auf die Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin. Deutsch-französische Einigkeit allein reiche zwar nicht, um Dynamik in der EU auszulösen. Fehle sie jedoch, könne das alles blockieren, sagte Macron am Samstag in München weiter.
Sollte das Tandem Paris-Berlin keine Antworten darauf geben, wie die Perspektive für eine Zeit in 20 oder 30 Jahren aussehe, wäre das ein «historischer Fehler". Nachdem es auf seine Vorschläge der vergangenen Jahre häufig keine Antwort aus Berlin gegeben habe, sei er nicht frustriert, aber ungeduldig.
Nach Finanz- und Migrationskrise hätten viele Menschen den Glauben an die Demokratie verloren. Konkret müsse Europa etwa beim Klimaschutz, bei der Entwicklung des neuen Mobilfunkstandards 5G oder von Künstlicher Intelligenz souveräne Antworten finden. Diese Themen könne Europa seit Jahren nicht bewältigen. Die neue EU-Führung um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel eröffne jedoch neue Möglichkeiten.
Macron warf Russland fortgesetzte Versuche zur Destabilisierung westlicher Demokratien durch Hackerangriffe vor. «Ich denke, dass Russland weiter versucht zu destabilisieren», sagte er. Dies geschehe entweder über private Akteure, direkt durch seine Dienste oder auch über «Stellvertreter". Russland verhalte sich in diesem Bereich «extrem aggressiv".
Macron warf Moskau Versuche zur Beeinflussung von Wahlen, Kampagnen in Online-Netzwerken und andere Cyberattacken vor. Russland hatte nach Einschätzung der US-Behörden unter anderem versucht, 2016 durch die massive Verbreitung von Falschinformationen Einfluss auf die Präsidentschaftswahl zugunsten des Wahlsiegers Donald Trump zu nehmen. Auch Macrons Wahlkampfteam war einem Bericht zufolge 2017 Ziel eines Hackerangriffs aus Russland geworden.
(SDA)