Die Schlacht am Morgarten von 1315 wurde über Jahrhunderte zu einer faszinierenden Erzählung von Gut und Böse ausgeschmückt», schrieb gestern die «Neue Zürcher Zeitung», «doch verbürgt ist kaum etwas.»
Das Intellektuellen-Blatt von der Falkenstrasse liefert Argumente für das, was in der Geschichtswissenschaft längst zur Mehrheitsmeinung geronnen ist: Die Schlacht am Morgarten ist nicht viel mehr als ein Mythos.
Quellenlage wie Überlieferung sind derart dünn, dass Historiker daraus lediglich ableiten können, dass ein kriegerischer Akt stattgefunden haben muss. Der Ablauf der Schlacht jedoch verliert sich im Dunkel des Hochmittelalters. «Es fehlen zuverlässige schriftliche Zeugnisse aus jener Zeit sowie archäologische Fundstücke», klagt die NZZ.
Seit heute könnte dieses Urteil überholt oder zumindest relativiert sein. Das SRF-Wissenschaftsmagazin «Einstein» strahlt heute Abend zum 700-Jahr-Jubiläum eine Extrasendung zu Morgarten aus.
Der Titel des Dokumentarstreifens ist Programm: «Der Schatz am Morgarten».
Während eineinhalb Jahren begleiteten die SRF-Journalisten Experten der Universität Zürich beim Versuch, durch umfangreiche geowissenschaftliche Untersuchungen die historische Topografie des Schlachtgeländes zu rekonstruieren.
Diese Analysen sollten neue Erkenntnisse bringen für den entscheidenden Schritt: Fundstellen zu orten, wo die Erde jene metallenen Zeugen für Morgarten verborgen halten könnte, nach welchen die historische Zunft so sehr giert.
Bereits dies ist ein gewaltiges Unterfangen. Herzog Leopold, «hochmütig-hochnäsiger Spross der mächtigen Habsburger» sammelt seine Truppen im habsburgischen Städtchen Zug und zieht am Morgen des 15. November 1315 durch das Ägerital gegen Sattel, «um die renitenten Schwyzer Mores zu lehren», urteilt die NZZ.
Die Eidgenossen sind jedoch keineswegs wehrlose, tumbe Bauern wie die Ritter hoch zu Ross insinuieren, sondern kriegserprobte Söldner. Und vor allem sind sie über die anrückenden Habsburger im Bilde. Als das adlige Reiterheer sich am Morgarten, am Ufer des Ägerisees, durch den schmalen Pfad zwischen bewaldeten Steilhängen und Sumpfgebiet zwängt, schnappt der Hinterhalt der Eidgenossen zu.
Schaurig tönt das Hornsignal durch den Wald, von oben prasseln Baumstämme und Steine auf die Reiter hernieder. Dann blitzen die Hellebarden und am Ende liegt das stolze, farbenprächtige Habsburger-Heer in der Innerschweiz im Dreck.
Ausgerüstet mit hochsensiblen Metalldetektoren stapft Romano Agola durch die «Einstein»-Doku; durch Wälder und Wiesen, überall dort, wo die Vorarbeiten der Zürcher Wissenschaftler das Morgarten-Schlachtfeld geortet hatten.
Der Mann hat einen besonderen Beruf, nennt sich Experte für archäologische Metallortung, ein Schatzsucher also, und als er mit seiner Arbeit zu Ende ist, hat er der Erde entlockt, was die Herzen der Archäologen höherschlagen lässt: 12 Silberpfennige, zwei Dolche, ein Rittersporn und Geschossspitzen von Pfeilen.
«Wahnsinn», entfährt es Romano Agola, als er einen Dolch aus dem Dreck zieht, «das ist eine Waffe, die einem Krieger gehört hat.» Selbst die zurückhaltenden Historiker sind begeistert, als sie die Funde zu Gesicht bekommen.
«Diese Münzen sind hier 1315 in Umlauf gewesen», urteilt der Zuger Kantonsarchäologe Stefan Hochuli, «da kann man fast von einer Punktlandung sprechen. Mit diesen Funden haben wir eine neue Ausgangslage für die Morgarten-Forschung.»
Und Jean-Daniel Morerod, Professor für Mittelalter-Geschichte an der Universität Neuenburg, einer der renommiertesten Morgarten-Forscher des Landes, meint: «Wir Historiker haben die Bedeutung der Archäologie vernachlässigt. Mit diesen Funden könnte das Pendel zurückschwingen. Das ist vielleicht eine Wende.»