Seit ein paar Wochen ist alles anders. Der letzte Restaurantbesuch mit Freunden ist zu einer unwirklichen Erinnerung verblasst, der letzte feste Händedruck sowieso. Das Coronavirus beeinflusst unseren Alltag, macht ihn einsamer, angstvoller, trister. Eine Bevölkerungsgruppe trifft die aktuelle Situation besonders hart: die Alten.
Ende April gehen die ersten Geschäfte wieder auf, doch die nähere Zukunft bleibt für Seniorinnen und Senioren ungewiss. Dass sie nicht wissen, wie lange sie noch zu Hause bleiben, auf Kontakt zu ihren Liebsten verzichten müssen, sei für viele sehr belastend, sagt Zora Maag. Sie gehört selbst zur Risikogruppe und verzichtet wie die meisten auf ihre geliebten Treffen mit Bekannten. Stattdessen telefoniert sie jetzt mit ihnen. «Aber mir fehlt der persönliche Kontakt schon.» Um gegen die Einsamkeit anzukämpfen, macht die Seniorin, die mit ihrem Mann im Kanton Zug lebt, nun jeden Tag lange Spaziergänge. Alleine. «Nur mein Schatten begleitet mich», sagt sie und lacht: «Immerhin!»
«Auch in der Beschränkung kann etwas wachsen.»
Auf ihren Spaziergängen entdeckt Zora Maag immer wieder Dinge, die sie zum Nachdenken bringen. Erst kürzlich sei ihr ein kleiner Löwenzahn in einer Felsspalte aufgefallen. «Diese Blume hat mir gezeigt: Auch in der Beschränkung kann etwas wachsen.» Sie versucht, auch das Potenzial in der Krise zu sehen. Nicht alle könnten das.
Umso wichtiger sei es, dass man ältere Menschen jetzt nicht allein lasse, glaubt Zora Maag: «Ein kurzes Gespräch mit Nachbarn oder ein Anruf können Wunder wirken. So haben die Leute etwas, worauf sie sich fokussieren können. Ein Telefongespräch kann den leeren Raum füllen», sagt Maag.
Das Alleinsein ist auch für Hedy Urfer kein Problem. Die 82-Jährige lebt seit langem in einem Haus in Unterkulm AG. Enkelkinder hat sie keine. Angst vor dem Sterben auch nicht. «Nur lange im Spital liegen möchte ich nicht», sagt sie.
Alain Huber, welchen Eindruck haben Sie vom Umgang der älteren Personen mit der aktuellen Situation?
Alain Huber: Sie gehen mit den Vorgaben des Bundes gefasst um. Wir stellen fest, dass die Massnahmen grossmehrheitlich eingehalten werden. Älteren Menschen fällt es aber schwer, einen geregelten Alltag mit genügend Bewegung aufrechtzuerhalten. Und es herrscht Unsicherheit, inwiefern der Gang an die frische Luft möglich ist. Hier setzt auch die Frage nach der Generationensolidarität ein.
Wie meinen Sie das ?
Wir registrierten eine Zunahme an Zuschriften jüngerer Personen, die sich enervieren, wenn sich Senioren draussen aufhalten. Uns ist es wichtig, zu sagen, dass der weitaus grösste Teil der älteren Bevölkerung vorbildlich mit den Verhaltensempfehlungen umgeht, sprich, sich mit genügend Abstand zu den Mitmenschen und nur wenn nötig draussen aufhält.
Viele Enkel sehen ihre Grosseltern nun lange nicht. Wie verhindert man, dass sie den Bezug zu ihnen verlieren?
Die Familien machen sich viele Gedanken, wie sie den Kontakt über alle Generationen hinweg aufrechterhalten können. Einige richten fixe tägliche Telefon- oder Skype-Zeiten für die Enkel und Grosseltern ein. Die Grosseltern machen mit den Kindern etwa ein Fern-Kopfrechen-Training. So entsteht nicht nur ein Austausch, sondern auch Vorfreude auf das nächste Telefonat, das vorbereitet sein will.
Alain Huber, welchen Eindruck haben Sie vom Umgang der älteren Personen mit der aktuellen Situation?
Alain Huber: Sie gehen mit den Vorgaben des Bundes gefasst um. Wir stellen fest, dass die Massnahmen grossmehrheitlich eingehalten werden. Älteren Menschen fällt es aber schwer, einen geregelten Alltag mit genügend Bewegung aufrechtzuerhalten. Und es herrscht Unsicherheit, inwiefern der Gang an die frische Luft möglich ist. Hier setzt auch die Frage nach der Generationensolidarität ein.
Wie meinen Sie das ?
Wir registrierten eine Zunahme an Zuschriften jüngerer Personen, die sich enervieren, wenn sich Senioren draussen aufhalten. Uns ist es wichtig, zu sagen, dass der weitaus grösste Teil der älteren Bevölkerung vorbildlich mit den Verhaltensempfehlungen umgeht, sprich, sich mit genügend Abstand zu den Mitmenschen und nur wenn nötig draussen aufhält.
Viele Enkel sehen ihre Grosseltern nun lange nicht. Wie verhindert man, dass sie den Bezug zu ihnen verlieren?
Die Familien machen sich viele Gedanken, wie sie den Kontakt über alle Generationen hinweg aufrechterhalten können. Einige richten fixe tägliche Telefon- oder Skype-Zeiten für die Enkel und Grosseltern ein. Die Grosseltern machen mit den Kindern etwa ein Fern-Kopfrechen-Training. So entsteht nicht nur ein Austausch, sondern auch Vorfreude auf das nächste Telefonat, das vorbereitet sein will.
Der grösste Aufsteller in diesen Tagen sei für sie ihre Telefonkette, sagt Urfer. Seit rund zehn Jahren ist sie Mitglied eines achtköpfigen Projekts, das Pro Senectute lanciert hat: Die Schweizer Fach- und Dienstleistungsorganisation für Alte bringt interessierte Personen ab 60 Jahren zusammen, die regelmässig miteinander telefonieren.
«Man merkt, dass man aneinander denkt.»
Viele kennen das Konzept noch aus der Schulzeit: Ein Mitglied ruft das nächste an, bis das Telefon wieder beim ersten Anrufer klingelt. «Ich habe eine ganz wunderbare Gruppe erwischt», sagt Hedy Urfer. «Wir haben abgemacht, dass wir in dieser blöden Zeit häufiger telefonieren», sagt sie. Das sei schön. «Man merkt, dass man aneinander denkt.»
Zusammen ist man weniger allein, weiss auch Annelies Hubler. Die 87-Jährige wohnt in einem Altersheim in Fislisbach AG. Dort werde sie gut umsorgt, sagt sie. Zum Glück!
Denn im Moment ist auch im Heim alles anders. Die Cafeteria ist geschlossen, gemeinsame Aktivitäten mit den anderen Bewohnern fallen weg, Besuche gibt es keine mehr. Das sei zuweilen schon belastend, sagt Hubler.
Vor allem für jene, die noch fit seien und sonst regelmässig Besuch bekommen. «Gott sei Dank, gibt es noch das Telefon!», sagt Hubler. Auch sie bleibt über ihr Handy mit ihrem Sohn und Bekannten in Kontakt. Trotzdem fehle ihr der persönliche Austausch.
«Ich versuche, die Zähne zusammenzubeissen.»
«Da sind viele Gespräche, die man jetzt nicht mehr führen kann. Das ist ein grosser Abschied, unter dem man schon leidet.» Auch der Austausch mit dem Pfarrer fehle ihr. «Ich habe existenzielle Fragen, die ich besprechen möchte.» Sie müsse schliesslich davon ausgehen, dass bei ihr in den nächsten Jahren «der Vorhang falle», sagt Hubler. «Und man möchte das Leben eigentlich schon in Schönheit beenden.»
Im Moment sehe es zwar leider nicht danach aus, aber Angst sei ein schlechter Ratgeber, findet Hubler. «Ich versuche, die Zähne zusammenzubeissen.» Kraft tankt sie in der Natur: «All die wunderbar blühenden Tulpen, Hyazinthen und Magnolien – dass die Natur uns momentan so überschüttet mit ihrer Schönheit, ist ein Geschenk!»
Während Annelies Hubler ab und an einen Spaziergang geniesst, sind die Aufenthalte im Freien für Hedy Urfer eher mühsam. Nicht weil sie sich vor Ansteckung fürchtet, sondern weil sie unterwegs schon böse Blicke kassiert habe. «Man wird angeschaut, als wäre man ein Seuchenpilz!»
«Aber was wottsch?» Sie habe es auch mit ihren Bekannten von der Telefonkette besprochen: «Wir müssen es akzeptieren, wie es ist. Auch wenn wir nie gedacht hätten, dass wir in unserem Alter noch so etwas mitmachen müssen!»
Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein, besser nicht! Die Empfehlung des Bundesamts für Gesundheit, auf den Besuch der Grosseltern zu verzichten, gilt weiterhin. Das sagte Daniel Koch, Corona-Delegierter des Bundes am Donnerstag.
Zwar zeigten neueste Erkenntnisse, dass das Virus bei Kindern seltener ausbricht und sie keine Treiber der Pandemie sind. Im Einzelfall könne man eine Ansteckung aber nicht ausschliessen: «Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, dass sie das Virus nicht übertragen», erklärte Koch.
Auch vom Besuch der Angehörigen im Altersheim ist weiterhin abzuraten: Es gelte immer noch die Devise, die Generationen nicht zu vermischen, sagte Bundesrat Alain Berset. Der Bundesrat gebe hier aber nur Empfehlungen ab, keine Verbote. Es sei vorstellbar, dass einzelne Kantone oder Regionen Besuche wieder möglich machten.
Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein, besser nicht! Die Empfehlung des Bundesamts für Gesundheit, auf den Besuch der Grosseltern zu verzichten, gilt weiterhin. Das sagte Daniel Koch, Corona-Delegierter des Bundes am Donnerstag.
Zwar zeigten neueste Erkenntnisse, dass das Virus bei Kindern seltener ausbricht und sie keine Treiber der Pandemie sind. Im Einzelfall könne man eine Ansteckung aber nicht ausschliessen: «Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, dass sie das Virus nicht übertragen», erklärte Koch.
Auch vom Besuch der Angehörigen im Altersheim ist weiterhin abzuraten: Es gelte immer noch die Devise, die Generationen nicht zu vermischen, sagte Bundesrat Alain Berset. Der Bundesrat gebe hier aber nur Empfehlungen ab, keine Verbote. Es sei vorstellbar, dass einzelne Kantone oder Regionen Besuche wieder möglich machten.