China wollte sich in diesem Jahr mit den Olympischen Spielen als weltoffenes, friedliches Land präsentieren – «Eine Welt, ein Traum» heisst das Motto. Die Olympia-Organisatoren wollen damit voller Pathos ausdrücken, dass «die gesamte Menschheit auf derselben Welt wohne und nach denselben Träumen und Idealen strebe».
Dass die Bewohner Chinas nach denselben Idealen streben, dafür sorgt Chinas Führung – wenn es sein muss auch mit eiserner Hand, wie in Tibet.
Was seit 1950 passiert ist
Seit Mitte des letzten Jahrhunderts steht Tibet unter der Besatzung Chinas: Im Oktober 1950 marschierte die Volksbefreiungsarmee in Tibet ein. Die schlecht ausgerüstete tibetische Armee war chancenlos. In einem Abkommen versicherte China Tibet Autonomie und Religionsfreiheit. Was jedoch folgte waren Jahrzehnte der Unterdrückung: Alle wichtigen Ämter erhielten Chinesen, sechs Millionen Tibeter dürfen weder ihre Religion ausüben noch ihre Sprache lernen.
Um Tibet zu assimilieren, motiviert die Kommunistische Partei Chinas auch seit Jahrzehnten Han-Chinesen in Regionen zu ziehen, wo eine tibetische Bevölkerungsmehrheit besteht. Das umfasst nicht nur «das autonome Gebiet Tibet», sondern auch die angrenzenden Provinzen wie Qinghai oder Gansu, wo es am Wochenende ebenfalls zu Demonstrationen gegen Chinas Führung kam. Am Freitag eskalierten die Demonstrationen schliesslich in blutigen Auseinandersetzungen.
Begonnen haben die Demonstrationen vergangenen Montag mit einem Marsch von Mönchen, die zum Jahrestag des Volkaufstandes von 1959 gegen die chinesischen Besatzer auf die Strasse gingen. Den Tibeteraufstand von 1959 schlug die chinesische Armee damals blutig nieder. Zehntausende Tibeter kamen dabei ums Leben. Der Dalai Lama floh ins indische Dharamsala, wo er eine Exilregierung bildete.
Während der chinesischen Kulturrevolution (1966–1976) unternahm China einen neuen Feldzug gegen Tibet: Es zerstörte Kulturdenkmäler und religiöse Zentren und verfolgte Hunderttausende Tibeter. Was bleibt, sind Folter und Tod. Seit der Besetzung Tibets beklagen die Tibeter 1,2 Millionen Tote.
«heute»: Herr Achten, wie schätzen Sie die aktuelle Situation in Tibet ein? Was passiert dort?
Peter Achten: Momentan setzt China alles daran, die Lage in Tibet unter Kontrolle zu bekommen. Sie packen mit harter Hand an und versuchen, Tibet abzuriegeln. Ausländer dürfen schon seit Freitagabend nicht mehr einreisen. Touristen, die noch dort sind, werden nun wohl schnellstmöglich des Hochlands verwiesen.
Im August finden in Peking die Olympischen Spiele statt. Inwieweit erhöht dies den Druck auf China, die Proteste zu zerschlagen?
Für China ist es extrem wichtig, dass es jetzt kein Marketing-Desaster für die Olympischen Spiele gibt, denn diese haben oberste Priorität. Die Tibeter nutzten die Gunst der Stunde kurz vor den Spielen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.Wird China die Situation bald kontrollieren?
Davon gehe ich aus. Es sind zwar die grössten Demos der Tibeter seit 20 Jahren, aber für die Chinesen gehört Tibet seit Jahrhunderten zu China. Diese Tatsache ist für sie nicht verhandelbar.Was ist, wenn sich die Demonstrationen ausweiten?
Falls dies geschieht und China nicht die Oberhand gewinnt, könnte ein Bürgerkrieg drohen.Von Natascha Eichholz
«heute»: Herr Achten, wie schätzen Sie die aktuelle Situation in Tibet ein? Was passiert dort?
Peter Achten: Momentan setzt China alles daran, die Lage in Tibet unter Kontrolle zu bekommen. Sie packen mit harter Hand an und versuchen, Tibet abzuriegeln. Ausländer dürfen schon seit Freitagabend nicht mehr einreisen. Touristen, die noch dort sind, werden nun wohl schnellstmöglich des Hochlands verwiesen.
Im August finden in Peking die Olympischen Spiele statt. Inwieweit erhöht dies den Druck auf China, die Proteste zu zerschlagen?
Für China ist es extrem wichtig, dass es jetzt kein Marketing-Desaster für die Olympischen Spiele gibt, denn diese haben oberste Priorität. Die Tibeter nutzten die Gunst der Stunde kurz vor den Spielen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.Wird China die Situation bald kontrollieren?
Davon gehe ich aus. Es sind zwar die grössten Demos der Tibeter seit 20 Jahren, aber für die Chinesen gehört Tibet seit Jahrhunderten zu China. Diese Tatsache ist für sie nicht verhandelbar.Was ist, wenn sich die Demonstrationen ausweiten?
Falls dies geschieht und China nicht die Oberhand gewinnt, könnte ein Bürgerkrieg drohen.Von Natascha Eichholz