Die Jagd ist saugefährlich. Nicht nur für das Wild, auch Jäger werden immer wieder Opfer ihrer Flinten. Der jüngste tragische Jagdunfall ereignete sich am vergangenen Samstagmittag.
Es ist kurz vor zwölf. Eine Gruppe von vier Freunden will am Monte Penz im Gebiet von Pedrinate bei Chiasso TI auf Wildschweinjagd gehen. Einer von ihnen ist Stefano G.* (†50). Ein Schuss peitscht durch die Luft. Er trifft jedoch keine Wildsau, sondern den Tessiner Schornsteinfeger aus Morbio Inferiore. Die Kugel durchbohrt seine rechte Körperseite. Der Jäger ist auf der Stelle tot.
Der Todesschütze ist ein Altersgenosse und tragischerweise auch noch der beste Freund des Opfers. Sofort ruft die Gruppe Polizei und Rettungskräfte. Auch ein Helikopter der Rega fliegt die Waldlichtung an. Doch Stefano G. ist nicht mehr zu retten. Zu schwer ist seine Schussverletzung. Sein Freund steht unter Schock und wird in einem Spital in Lugano nach wie vor psychisch betreut.
Stefano G. wollte seinen Kollegen die Wildschweine zutreiben
«Ich war mit den Kindern im Splash & Spa in Rivera, als das Unglück passierte», erzählt die Witwe Geneviève G.* (44) BLICK. «Gegen 14 Uhr erhielt ich den Anruf mit der Hiobsbotschaft. Ich wollte es gar nicht glauben.» Erst habe man ihr den Anblick ihres toten Mannes verbieten wollen, «aber dann durfte ich ihn doch sehen und Abschied nehmen».
Die Tessinerin kämpft mit den Tränen. «Er war meine Zwillingsseele. Ich weiss gar nicht, wie es ohne ihn weitergehen soll», sagt die Witwe. «Stefano war ein so lebensfroher Mann. Jeder hatte ihn gern.»
Wie es zum Unglück kam, kann sich Geneviève nicht erklären. «Stefano war immer sehr vorsichtig. Er wollte am Samstag seinen Kollegen die Wildschweine zutreiben», erzählt Geneviève G., «und er hatte auch seine leuchtend orangefarbene Weste an, damit man ihn gut erkennt.»
«Ich werde dem Todesschützen verzeihen»
Dass trotzdem auf ihren Ehemann geschossen wurde, schockiert die Witwe. «Offenbar hatte sein Freund gesehen, wie sich etwas bewegte, und dabei meinen Mann nicht erkannt.» Ob sie dem Todesschützen je verzeihen kann? Geneviève G. antwortet tapfer: «Ich weiss ja, dass es ein Unfall war. Man muss nach vorne schauen und an die Zukunft der Kinder denken.» Denn der Schornsteinfeger hinterlässt ausser seiner Frau zwei Töchter (12 und 17) und einen Sohn (16). Noch ist der Leichnam nicht freigegeben. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Es ist nicht der erste Jagdunfall im Tessin in diesem Jahr. Seit Beginn der Hochjagd am 1. September gab es bereits zwei Dramen auf der Pirsch. Am 3. September stürzte ein 80-jähriger Jäger im Maggiatal zu Tode. Tags darauf schoss ein 25-jähriger Jäger in Cabbio seinem Altersgenossen mit dem Jagdgewehr in die Hand und verletzte das Opfer dabei schwer.
* Name bekannt