Kaum eine Klage war im Wahlherbst öfter zu hören als jene über das Bürokratiewachstum und den ausufernden Staatsapparat.
Nun schien es, als würde dieses Lamento von unverdächtiger Seite untermauert: Die einflussreiche Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) berichtet in ihrem aktuellen Überblickswerk «Government at a Glance», dass die Beamtenquote in der Schweiz schneller wächst als in jedem anderen westeuropäischen Staat. Zwischen 2008 und 2013 sei der Anteil Staatsangestellter an der Gesamtbeschäftigung von 15 auf 18 Prozent hochgeschossen.
Damit läge die Schweiz zwar immer noch unter dem OECD-Durchschnitt von 21,3 Prozent. Doch hätte sie seit Beginn der Finanzkrise Staaten wie Italien, Portugal oder Spanien punkto Beamtenquote überholt.
Der einstige Effizienz-Musterschüler Schweiz soll also eine grössere Verwaltung haben als die teils maroden südeuropäischen Länder? Es wäre ein höchst beunruhigender Befund. Wenn er denn stimmen würde. Doch daran gibt es inzwischen selbst bei der OECD erhebliche Zweifel.
Konkret: Das Bundesamt für Statistik (BFS) schätzt die Grösse des öffentlichen Sektors viel geringer ein als die OECD. Im Jahr 2012 waren gemäss BFS nur 13,9 Prozent der Jobs direkt oder indirekt beim Staat. Gar keine Belege finden die Statistiker aus Neuenburg für ein rasantes Wachstum der Verwaltung. Die Beamtenquote der Schweiz ist tendenziell sogar rückläufig. Im Jahr 2001 bezifferte das BFS den Anteil der Staatsangestellten am Arbeitsmarkt noch auf 14,5 Prozent.
Die Diskrepanz zwischen BFS und OECD ist umso erstaunlicher, als auch die OECD angibt, ihr Beamtenschock-Befund stütze sich auf Daten des Bundesamtes für Statistik.
Wer hat recht?
Die beiden Institutionen schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Beim Bundesamt für Statistik sagt ein Sprecher, die von der OECD verwendeten Daten für die Jahre 2008 und 2013 seien zum einen nicht vergleichbar, zum anderen durch unzulässige Aufbereitung verzerrt. So hätten die OECD-Analysten Jobs ohne näher spezifizierten Sektor kurzerhand dem Staat zugerechnet.
Die OECD kontert, das Bundesamt für Statistik habe fehlerhafte Daten zur Verfügung gestellt. «Deshalb hat die OECD entschieden, die Schweizer Daten für das Jahr 2013 zu löschen», sagt Sprecherin Louise Fiertz.
Bis auf Weiteres steht somit nur fest: Verantwortlich für den Bürokratie-Fehlalarm ist – ganz pauschal – die Bürokratie.