Vertreter von fünf Bundeshausfraktionen standen am Montag in Bern Pate bei der Präsentation des so genannten Konkordanzartikels. BDP-Präsident Martin Landolt (GL) sprach vor den Medien von einem «klugen Beitrag». Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch sagte: «Ein Kompromiss, der mehrheitsfähig ist, muss ungefähr in diese Richtung gehen.»
Überzeugt hat sie der Ansatz des Forums Aussenpolitik (foraus), die verschiedenen mit der Masseneinwanderungsinitiative verbundenen Anliegen im gleichen Verfassungsartikel zu vereinen. Der Gegenvorschlag sieht vor, dass die Schweiz die Zuwanderung eigenständig steuert. So haben es Volk und Stände am 9. Februar 2014 beschlossen.
Gesteuert wird aber nicht mit Kontingenten, Höchstzahlen oder Inländervorrang, weil dies im Widerspruch zum Freizügigkeitsabkommen steht. Vielmehr soll die Personenfreizügigkeit selber die Zuwanderung steuern, und zwar nach dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage, wie Co-Autor Tobias Naef erklärte. «Zuwanderung ist kein Selbstzweck.»
Das wird sichergestellt, indem die Personenfreizügigkeit in der Verfassung an klare Voraussetzungen gebunden wird. Dazu gehören eine Arbeitsbewilligung, eine ausreichende, eigenständige Existenzgrundlage oder asyl- und ausländerrechtliche Vorgaben. Der Gegenvorschlag nennt diese Kriterien ausdrücklich. Ebenfalls erwähnt werden die flankierenden Massnahmen, die Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials und die Beschränkung des Anspruchs auf Sozialleistungen.
So, glauben die foraus-Autoren, könnte die berühmte Quadratur des Kreises gelingen. Aussicht auf Erfolg habe nur ein Gegenvorschlag, der die Anliegen der Befürworter der Masseneinwanderungsinitiative berücksichtige und gleichzeitig die Personenfreizügigkeit aufrecht erhalte, sagte Co-Autor Maximilian Stern. Der Vorschlag biete eine Grundlage in der Verfassung, mit der alle zufrieden sein könnten.
Auch foraus halte die vom Bundesrat angestrebte Verhandlungslösung für den besten Weg, betonte Präsident Nicola Forster. Eine solche sei aber höchst unsicher. Keine Option ist für Forster hingegen die Initiative «Raus aus der Sackgasse» (RASA), die den Zuwanderungsartikel wieder aus der Verfassung streichen will. Wenn diese scheitere, wirke das wie eine Durchsetzungsinitiative, gab er zu bedenken.
Auch bei den Parteien ist die RASA-Initiative nicht gut angekommen. Der Gegenvorschlag von foraus hingegen stösst in einer ersten Bewertung auf viel Wohlwollen. Zustimmung findet vor allem der Ansatz, den Zuwanderungsartikel nicht zu streichen, sondern zu differenzieren. Für Jositsch ist der Gegenvorschlag darum «ein Weg, weiterzudenken», wie er sagte.
Die CVP wolle die Zuwanderung steuern, ohne den bilateralen Weg in Frage zu stellen, sagte Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (BL). Im Gegenvorschlag seien alle Ideen in diese Richtung zusammengefasst. «Das hat mich begeistert.»
Für Balthasar Glättli (Grüne/ZH) geht es darum, den «falschen und missverständlichen Artikel» zu streichen und durch etwas Neues zu ersetzen. Der Gegenvorschlag habe auch «grosses Potenzial», die Rechtsunsicherheit für die Wirtschaft zu beenden, sagte Nationalrat Beat Flach (GLP/AG).
Keiner der Politiker erklärte sich aber ausdrücklich bereit, den Vorschlag von foraus in die parlamentarische Debatte einzubringen. Wie der Bundesrat warten auch sie auf das Resultat der Brexit-Abstimmung. Erst dann wird sich zeigen, wie gross die Chancen einer Verhandlungslösung sind.
Wenn eine solche nicht zu Stande komme, brauche es weitere Pläne, sagte Schneider-Schneiter. «Dieser Gegenvorschlag wäre eine tauglicher Ansatz.»
Von Seiten der Initianten wird der Vorschlag wohlwollend aufgenommen: Man begrüsse jeden Vorschlag, «der es erlaubt, die heutigen bilateralen Verträge mit der EU fortzuführen und eine klare rechtliche Basis für das Verhältnis mit der EU zu schaffen», heisst es auf der Webseite.
Das Initiativkomitee erwartet nun von Bundesrat und Parlament, «den Ball aufzunehmen und eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten». Sobald geklärt sei, welche Vorlagen der Stimmbevölkerung zur Abstimmung unterbreitet würden, werde das Initiativkomitee entscheiden, ob es die RASA-Initiative zurückziehe.
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