Zehnjähriger in Effretikon ZH von LKW-Chauffeur (19) überfahren.
«Ich hielt Lazars Hand, bis er starb»

Auf dem Heimweg wird Lazar Peric (†10) von einem Lastwagen überrollt. Sein älterer Bruder Milos (12) alarmiert die Eltern. Vater Branislav (50) stürmt sofort zur Unfallstelle. Er muss mitansehen, wie sein Sohn stirbt.
Publiziert: 05.12.2018 um 20:33 Uhr
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Aktualisiert: 07.12.2018 um 11:17 Uhr
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Die Eltern von Lazar sind am Boden zerstört. Branislav Peric (50) und Olivera Peric (44) können nicht fassen, dass ihr Lazar (†10) nicht mehr lebt.
Foto: zvg
Johannes Hillig, Ralph Donghi

Branislav Peric (50) hält das Foto seines Sohnes mit zittrigen Händen. Er senkt seinen Blick, als ihm Tränen über die Wangen kullern. Er kann es nicht glauben, will nicht wahrhaben, dass sein Lazar (†10) nicht mehr da ist. Noch vor einem Tag sass er mit ihm auf dem Sofa, genoss die Unbeschwertheit seines jüngsten Sohnes, der jetzt für immer weg ist. Tot. Überrollt von einem Lastwagen.

Mit seinem älteren Bruder Milos (12) ist der 10-Jährige am Dienstagmittag auf dem Weg nach Hause. Mit ihren Trottinetts müssen sie nur noch einen Zebrastreifen überqueren. Milos fährt voran, sein Bruder hinterher.

Da passiert es: Ein LKW biegt beim Kreisel an der Illnauerstrasse in Effretikon ZH ab. Statt zu bremsen, fährt Chauffeur Ivan L.* (19) einfach weiter. Er sieht den Buben nicht. Das tonnenschwere Fahrzeug erfasst Lazar. Lässt ihm keine Chance. Schwer verletzt bleibt Lazar auf dem Asphalt liegen.

«Milos hat uns erzählt, wie er noch laut ‹Halt!› gerufen habe, versuchte, seinen Bruder zu beschützen. Aber er ist einfach weitergefahren», sagt sein Vater zu BLICK.

«Er hat meine Hand fest gedrückt»

Als der tragische Unfall passiert, sitzen er und seine Frau Olivera Peric (44) zu Hause, warten auf ihre Kinder für das gemeinsame Mittagessen. Ahnungslos, dass ihr Jüngster nur 170 Meter entfernt um sein Leben kämpft. «Plötzlich kam Milos angerannt und hat gerufen: ‹Mama, es ist was Schlimmes mit Lazar passiert!›», erinnert sich die Mutter. 

Branislav stürmt sofort nach draussen, rennt zu seinem Sohn an die Unfallstelle. «Er hat schwer geatmet, konnte nicht mehr reden. Ich habe seine Hand genommen und nicht mehr losgelassen», sagt der Serbe.

Lazar nimmt seine letzte Kraft zusammen, drückt die Hand seines Papas fest. «Er hat mich die ganze Zeit angesehen», so Peric. Währenddessen versuchen Rettungskräfte, das Leben des Buben zu retten. Vergeblich. Lazar ist zu schwer verletzt – stirbt in den Armen seines Vaters. «Ich hielt Lazars Hand, bis er starb», sagt Branislav und weint.

Freunde und Familie stehen ihnen in diesen schweren Stunden bei. Doch die schrecklichen Bilder vom Dienstag, sie kommen immer wieder hoch. Zusammen haben sie Kerzen für Lazar in der nahe gelegenen Kapelle angezündet. Lichter, Plüschtiere und Blumen an der Unfallstelle niedergelegt. Fussgänger bleiben stehen, Velofahrer steigen ab. Alle wissen, was passiert ist, und schauen fassungslos auf den Zebrastreifen.

Chef nimmt seinen Chauffeur in Schutz

Wie es zum Unfall kommen konnte, wird nun ermittelt. Klar ist: Der Lastwagen stammt von der Firma Siegrist Transporte AG in Oberentfelden AG. Chauffeur Ivan L. arbeitet dort erst seit zwei Monaten. Davor machte er eine Lehre als Lastwagenführer und die RS.

«Ich weiss nicht, ob er je wieder einen Lastwagen fährt»
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Drama in Effretikon ZH:«Ich weiss nicht, ob er je wieder einen Lastwagen fährt»

Sein Chef nimmt ihn in Schutz. «Er hat alles gemacht, was er konnte», so Daniel Siegrist (41). Er habe alle Spiegel kontrolliert, fuhr nicht zu schnell. Die Stelle sei aber sehr anspruchsvoll. «Man muss dort auf sehr viel achten, und auf der rechten Seite des Lastwagens ist der tote Winkel relativ gross.» 

Der Unfall sei trotzdem unverzeihlich. «Wenn ein Kind vom Schulweg nicht mehr nach Hause kommt – das ist das Schlimmste, was passieren kann. Ich wünsche der Familie viel Kraft.»

Die braucht die Familie jetzt. Vater Branislav: «Wir wollen unseren Lazar in der Schweiz beerdigen. Damit er immer in unserer Nähe bleibt.»

* Name geändert

Sind Zebrastreifen zu nahe beim Kreisel?

Von Dominique Rais

Tiefe Trauer in Effretikon: Schulbub Lazar Peric († 10) wird am Dienstag von einem Lastwagen überrollt. Am Steuer: Ein 19-jähriger Camion-Chauffeur. Er fuhr aus dem wenige Meter entfernten Kreisel, als Lazar und sein Bruder Milos (12) mit ihren Trottinetts den Fussgängerstreifen überqueren. «Die Buben waren wohl im toten Winkel. Da haben Chauffeure keine Chance», sagt Wolfgang Krückels (55), Ausbilder von Lastwagen-Chauffeuren bei der Emil Egger AG, zu BLICK. Auch Lazar wurde übersehen, er stirbt noch an der Unfallstelle. Die Tragödie hätte wohl ­vermieden werden können. Ein Zebrastreifen direkt an einem Kreisel ist laut Krückels äusserst ungeschickt: «Das birgt ein grosses Risiko!» Mit speziellen LKW-Kameras könne der tote Winkel aber aufgehoben werden. Einzig: Die Aufrüstung ist teuer. Kosten: 3000 bis 5000 Franken pro Kamera. Krückels fühlt mit allen Betei­ligten mit: «Es gibt nichts Schlimmeres. Ich könnte nach so einer Tragödie nie mehr fahren.» Der Chauffeur weiss um die Schwierigkeiten als Lastwagen-Fahrer im Strassenverkehr. Vor allem Fussgänger seien häufig in Gefahr. «Sie rennen oft über die Strasse, ohne zu schauen. Ihnen ist nicht klar, dass ein Lastwagen nicht so schnell halten kann.» Lazar und Milos waren mit Trottinetts unterwegs – gefährlich. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) rät bei Kindern von «Trottinetts als alltägliches Verkehrsmittel» ab, so Sprecher Marc Kipfer. Da diese vor allem auf dem Trottoir benutzt werden, empfänden Kindern eine «Schein­sicherheit».

Von Dominique Rais

Tiefe Trauer in Effretikon: Schulbub Lazar Peric († 10) wird am Dienstag von einem Lastwagen überrollt. Am Steuer: Ein 19-jähriger Camion-Chauffeur. Er fuhr aus dem wenige Meter entfernten Kreisel, als Lazar und sein Bruder Milos (12) mit ihren Trottinetts den Fussgängerstreifen überqueren. «Die Buben waren wohl im toten Winkel. Da haben Chauffeure keine Chance», sagt Wolfgang Krückels (55), Ausbilder von Lastwagen-Chauffeuren bei der Emil Egger AG, zu BLICK. Auch Lazar wurde übersehen, er stirbt noch an der Unfallstelle. Die Tragödie hätte wohl ­vermieden werden können. Ein Zebrastreifen direkt an einem Kreisel ist laut Krückels äusserst ungeschickt: «Das birgt ein grosses Risiko!» Mit speziellen LKW-Kameras könne der tote Winkel aber aufgehoben werden. Einzig: Die Aufrüstung ist teuer. Kosten: 3000 bis 5000 Franken pro Kamera. Krückels fühlt mit allen Betei­ligten mit: «Es gibt nichts Schlimmeres. Ich könnte nach so einer Tragödie nie mehr fahren.» Der Chauffeur weiss um die Schwierigkeiten als Lastwagen-Fahrer im Strassenverkehr. Vor allem Fussgänger seien häufig in Gefahr. «Sie rennen oft über die Strasse, ohne zu schauen. Ihnen ist nicht klar, dass ein Lastwagen nicht so schnell halten kann.» Lazar und Milos waren mit Trottinetts unterwegs – gefährlich. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) rät bei Kindern von «Trottinetts als alltägliches Verkehrsmittel» ab, so Sprecher Marc Kipfer. Da diese vor allem auf dem Trottoir benutzt werden, empfänden Kindern eine «Schein­sicherheit».

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