In Deutschland wurde ihm das Pflaster zu heiss. Deshalb setzte sich der Neurochirurg Thomas M.* (51) im Jahr 2013 in die Schweiz ab. In der Zürichsee-Gemeinde Horgen eröffnete er eine Schmerzklinik. Hier kennt niemand seine dunkle Vergangenheit.
Denn in Deutschland laufen seit fünf Jahren mehrere Verfahren gegen Doktor M.: Der Schmerz-Spezialist soll Rechnungen manipuliert und so die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern um über eine Million Euro betrogen haben. Zudem wird gegen ihn wegen Körperverletzung ermittelt, wie Holger Schütt von der Staatsanwaltschaft Rostock bestätigt. Der Vorwurf: Arztpfusch!
Pikant: Mit diesen laufenden Verfahren am Hals hätte Thomas M. in der Schweiz gar keine Praxis eröffnen dürfen. Das auf deutscher Seite zuständige Gesundheitsamt verweigerte ihm denn auch die nötige Unbedenklichkeitserklärung.
Kein Problem für Thomas M. – er stellte sich die Bescheinigung gleich selber aus. Der Coup gelang, die Gesundheitsdirektion des Kanton Zürichs erkannte die Fälschung nicht. Seit Oktober 2013 behandelte Doktor M. in seiner Schmerzklinik Patienten. So viele wie möglich. Er weiss: Jeden Tag kann er auffliegen.
Und tatsächlich. Ein Patient der Schmerzklinik muss wegen Komplikationen zu einem anderen Arzt in Behandlung. Und prompt kommt die Vergangenheit von Thomas M. ans Licht.
Die Zürcher Gesundheitsdirektion wird informiert und entzieht ihm am 17. Januar die Berufsausübungsbewilligung. Das bestätigt Sprecher Daniel Winter gegenüber BLICK.
Thomas M. geht zurück nach Deutschland. Dort wird er wenig später in seiner Rostocker Ferienwohnung verhaftet. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.
Die deutschen Opfer seines Pfuschs kämpfen für eine Entschädigung. Sie werden von Rechtsanwalt Lothar Dohrn aus Hamburg vertreten. Er sagt: «Eine derartige Häufung von Fehlbehandlungen habe ich noch nicht erlebt. Falls es auch in der Schweiz Opfer gibt, dürfen die sich gerne bei mir melden.»
Thomas M. ist nicht der einzige ausländische Arzt, der nach dem Entzug seiner Zulassung einfach in der Schweiz einen Neustart versuchte. «Ich kenne mindestens vier weitere Fälle», sagt die grünliberale Nationalrätin und Patientenschützerin Margrit Kessler (67). «Es ist viel zu einfach für solche Ärzte, in der Schweiz unterzukommen. Erst wenn die allgemeine Registrierungspflicht im Medizinalberufsregister für alle Ärzte obligatorisch ist, wird sich das ändern.»
In der Schweiz liegen derzeit keine Anzeigen gegen Thomas M. vor. Seine Fälschung der Unbedenklichkeitserklärung kommt in Rostock zur Anklage. Dort beginnt am 12. Mai der Prozess gegen den Neurochirurgen.