«Alles, was ich brauch', nehm' ich mir mit Gewalt, Bruder!», singt der Türsteher-Killer Jeton G.* (35) zum Song «Kalt Bruder» des Gangster-Rappers Capital Bra. Und weiter: «Fick die Strafanstalt, Bruder». Jeton G. blickt im Video dabei direkt in die Kamera, läuft einige Schritte nach vorne und dann zurück. Viel Platz hat der Schweizer mit kosovarischen Wurzeln nicht. Seit dem Mord an Boris R.* (†30) sitzt er im vorzeitigen Strafvollzug.
Auf der Wand hinter ihm hängen mehrere Poster mit Sportautos und leichtbekleideten Frauen. Er zieht an einer Zigarette und stellt mit seinen Fäusten Boxschläge nach. Am Ende des Clips schliesst er seine Hände zu einem Doppeladler-Symbol zusammen.
In der Strafanstalt Pöschwies, wo der Besitz von elektronischen Aufnahmegräten verboten ist, wurde eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet. Das Videomaterial kursiert derzeit in sozialen Medien unter dem Hashtag #FreeJeton und mit dem Titel «The real lion».
Keine Tatrekonstruktion vor Ort
Jeton G. muss sich derzeit für den Mord an Türsteher Boris G.* (†30) vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. Er hat bei einem Bandenkrieg in Zürich-Affoltern im März 2015 dem Türsteher in den Rücken geschossen. Auch zwei seiner Kumpels stehen heute vor Gericht, die bei dem tödlichen Showdown beteiligt waren.
Heute findet der zweite Prozesstag statt. Die Verhandlung wurde letzte Woche unterbrochen. Hauptanliegen von Jeton G.'s Anwälten: eine Tatrekonstruktion vor Ort, wenn möglich mit allen Beteiligten oder mit Statisten. Um das Geschehen genau nachvollziehen zu können, brauche es auch noch eine 3-D-Visualisierung. Denn: «Vielleicht hat jemand anders den tödlichen Schuss abgegeben», so Bruno Steiner.
Am Mittwochmorgen verkündete das Gericht, dass die Anträge abgelehnt werden. Nur unmittelbar nach der Tat hätte eine Tatrekonstruktion Sinn gemacht, nicht erst fünf Jahre nach der Tat. Die beiden Anwälte des Angeklagten finden das «eine Sauerei». Sie werden vom Gerichtspräsidenten verwarnt.
Jeton G.: «Ich nenne keine Namen»
Die Befragung von Jeton G. beginnt damit, dass dieser erklärt, zur Tat keine weiteren Angaben machen zu wollen. In den polizeilichen Einvernahmen hatte er ausgesagt, dass er kurz vor den tödlichen Schüssen Pfefferspray ins Gesicht bekam. Danach sei er desorientiert und blind gewesen. Zwar schoss er in die Richtung des Opfers, allerdings nur, «um die eigene Sicherheit zu gewährleisten und damit die anderen wegrennen können». Aber dazu will der Beschuldigte vor Gericht nun nichts mehr sagen.
Zum Video sagt er, dass es eine Drittperson gedreht und online gestellt hat. «Ich nenne aber keine Namen», sagt der 35-Jährige. Die Aktion bezeichnet Jeton G. als «Leichtsinn». Er habe in Auftrag gegeben, dass der Facebook-Account mit dem Video gelöscht wird.
Gerichtspräsident Sebastian Aeppli erwidert: «Ich habe es gestern noch auf Facebook gesehen.» Jeton G. kassierte wegen der Videoaufnahmen im Knast bereits eine Disziplinarverfügung.
«Ich schäme mich»
Jetons mitangeklagter Komplize Berk A. (26) öffnet sich dagegen vor Gericht. Er entschuldigt sich bei der Familie des getöteten Türstehers für das, was er getan hat. «Ich schäme mich», sagt er. Er war derjenige, der die Waffe zur Banden-Abrechnung mitgebracht hatte. «Ich schoss senkrecht in die Luft», erzählt er vor Gericht. Dann sei Jeton G. gekommen und habe ihm die Waffe abgenommen. Kurz darauf kam es zu den tödlichen Schüssen.
Auch der zweite Komplize, der Tschetschene Iznavur S. (35), musste sich am Mittwochmorgen der Befragung des Richters stellen. Er bestritt, den Türsteher vor dessen Tod noch mit der Faust geschlagen zu haben. Laut Gutachten hat er eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Gutachter sagt: Psychotherapie bringt bei Jeton G. nichts
Am Morgen wurde auch Gutachter Elmar Habermeyer zu Jeton G. befragt. Der forensische Psychiater meint, dass eine Psychotherapie an seinem Verhalten nichts ändern kann. «Seine Rolle in der Subkultur und sein Macho-Gehabe war bisher erfolgreich – aber sein Verhalten ist ein Problem in der Gesellschaft.» Jeton G. könne sich nur bessern, wenn er ein Problembewusstsein entwickelt. «Doch wenn er selber weiterhin nicht sieht, dass sein Verhalten problematisch ist, gibt es auch keine Therapierbarkeit.»
Am Nachmittag folgen die Plädoyers von der Staatsanwaltschaft und von den Strafverteidigern. Der Staatsanwalt verlangt für Jeton G. eine lebenslange Haftstrafe, für Berk A. sechs Jahre Haft und für Iznavur S. zwölf Monate bedingt. Er plädierte für Jeton G. auch für eine Verwahrung. «Er ist immer wieder mit Gewalt aufgefallen seit er 12 Jahre alt war. Eine Therapie verspricht keine Besserung.Das Video in der Strafanstalt zeigt, wie respektlos er gegenüber Obrigkeiten eingestellt ist.» Und: Es bestehe laut Gutachten eine hohe Rückfallgefahr.
An Jeton G. lässt er in Plädoyer ohnehin kein gutes Haar. Noch nie habe der Staatsanwalt so viele Drohungen, Lügen und versuchte Beeinflussungen erlebt, wie in diesem Fall. Noch nie wurde er von einem Angeklagten als Hurensohn bezeichnet. «Zu Recht wird er als Intensivtäter behandelt.»
Das Urteil fällt frühestens im März.
* Namen bekannt