Foto: imago images/Rupert Oberhäuser

Streit um Ansteckungsgefahr und Deutschlands Mr. Corona
Uni-Zürich-Forscher analysierte Drosten-Studie zu Kindern

Ein Streit über eine Studie zur Ansteckungsgefahr von Kindern mit dem Coronavirus tobt in Deutschland. In der Schweiz sorgte das Dokument bereits für Verunsicherung.
Publiziert: 26.05.2020 um 20:51 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2020 um 14:51 Uhr
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Leonhard Held, Biostatistiker vom Institut für Epidemiologie der Universität Zürich, zweifelt an den Ergebnissen der neuen Corona-Studie.
Foto: higgs
Helena Schmid

Kinder könnten ebenso ansteckend wie Erwachsene sein. Zu diesem Schluss kommt der deutsche Star-Virologe Christian Drosten (48) Ende April in Studie zum Coronavirus. Entgegen aller früheren Annahmen. Der Leiter der Berliner Charité-Klinik hat damit eine Diskussion angestossen – die nun in einem üblen Streit gipfelte!

Die Akteure: Drosten selbst, mehrere renommierte Kritiker seiner Studie – darunter der Schweizer Professor Leonhard Held – und die deutsche «Bild»-Zeitung.

Letztere veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom Dienstag eine Story mit dem Titel: «Schulen und Kitas wegen falscher Corona-Studie dicht!» Die Zeitung übt heftige Kritik an Drosten Studie. Zitiert werden mehrere Wissenschaftler, die deren Aussagekraft anzweifeln.

Bund liess Studie durchleuchten

Darunter auch Leonhard Held. Der Biostatistiker vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich war bereits kurz nach der Publikation mit der Drosten-Studie konfrontiert. «Die Covid-19-Taskforce des Bundes bat mich, die neuen Erkenntnisse zu durchleuchten», sagt Held zu BLICK.

Drosten kam in seiner Studie zum Schluss, im Rachen der Kinder würden sich gleich viele Coronaviren tummeln, wie bei Erwachsenen. Entsprechend sei die Öffnung der Schulen und Kitas nicht zu verantworten – wegen der Ansteckungsgefahr.

Leonhard Held widerspricht dieser Schlussfolgerung entschieden. In seinem Statement an den Bund schreibt er, er habe durchaus einen Zusammenhang zwischen der Virenlast und dem Alter gefunden. Drostens Methodik zur Analyse der Daten sei schlecht gewählt, die Ergebnisse deshalb mit Vorsicht zu interpretieren.

«Ich habe Bericht befürchtet»

Entsprechend kommt es für den Wissenschaftler wenig überraschend, dass die «Bild»-Zeitung die Studie nun im grossen Stil anprangert. Held: «Ich habe so etwas bereits befürchtet.» Dennoch distanziere er sich an der «reisserischen Aufmachung» des Artikels. Die «Bild» habe ihn nie für ein Interview zu seinen Erkenntnissen angefragt.

Die übrigen zitierten Kritiker der Studie drehen den Spiess nun um – und kritisieren wiederum die Berichterstattung der «Bild». Held sieht das nicht so eng: «Mein Statement ist im Internet publik. Es ist nicht verboten, daraus zu zitieren», sagt er.

«Diskutieren, statt festhalten»

Er erwarte nun, dass sich Drosten und die übrigen Autoren zu den «Mängeln» an ihrer Studie äussern. «Sie sollen sich auf eine Diskussion einlassen, statt an den Ergebnissen festzuhalten.»

Mittlerweile haben Drosten und sein Team ihre Daten erneut analysiert. Im NDR-Podcast sagt der Virologe, es gäbe in der Studie eine «statistische Verzerrung». Am Resultat gäbe es weiterhin «nichts zu kritisieren». Zugleich betont der Wissenschaftler aber auch die Vorläufigkeit der Studie.

Nun habe man die Kritikpunkte gesammelt. Ziel sei es nun, die Analysen zu überarbeiten und von unabhängigen Forschern überprüfen zu lassen. Ob Kinder also gleich ansteckend sind wie Erwachsene – oder doch nicht – bleibt schleierhaft. Und ein Streitpunkt.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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