Heute gehen ältere Schwule, Lesben und Transsexuelle in Zürich auf die Strasse. Zum Limmatquai 55. Sie versammeln sich vor dem Rathaus, um auf sich aufmerksam zu machen. Denn ab 17 Uhr hält der Gemeinderat, also das Zürcher Stadtparlament, eine Doppelsitzung zur Zürcher Altersstrategie ab.
Hinter der Demo steckt queerAltern, ein Verein, der sich für ältere Schwule und Lesben einsetzt. Grund für die Aktion: Der Zürcher Stadtrat hat auf eine schriftliche Anfrage der GLP viel Offenheit für ganz unterschiedliche Lebensformen im Alter gezeigt, aber wenig Verständnis für die Anliegen von Homosexuellen bewiesen.
Beispielsweise schrieb die Stadtregierung, es gebe in Pflegezentren aktuell keine offen lebenden homosexuellen Paare. Bei einem durchschnittlichen Anteil von zehn Prozent Homosexueller in der Bevölkerung hält man das bei queerAltern für unmöglich. Darum wollen sie, dass das 125-köpfige Stadtparlament anders als der Stadtrat nicht über sie hinwegsehen solle.
Ohne Unterstützung chancenlos
Der Begriff LGBTIQ kommt aus dem Englischen und meint Lesben, Gay (Schwule), Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle, Queer-Menschen (von der Norm abweichende). Für die älteren Vertreter der Gemeinschaft spricht Barbara Bosshard (68), Vizepräsidentin von queerAltern.
Fünf Jahre lang hat der Verein versucht, in Zürich eine Einrichtung für ältere LGBTIQ-Menschen zu realisieren, doch in einem gewinnorientierten Umfeld sei man chancenlos, so der 260 Mitglieder zählende Verein. Darum kam queerAltern zum Schluss: «Ohne die Unterstützung der Stadt geht es nicht.»
Bislang gibt es diese finanzielle Unterstützung nicht. Doch sie wäre wichtig, wie Bosshard erklärt: «Wir wollen unsere Vielfalt leben können. Dafür braucht die queer alternde Bevölkerung auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Altersstrukturen.» Das Pflegepersonal müsse beispielsweise ausgebildet sein im Umgang mit Menschen, «die eine Identität leben, die nicht ihrer einordbaren Biologie entspricht».
Schwule sollen sich nicht verstecken müssen
Zudem gibtv Bosshard zu bedenken: «Viele von uns mussten ihre Homosexualität jahrelang verbergen. Heute haben wir schon vieles erreicht. Es darf aber nicht sein, dass wir uns in Altersstrukturen wieder verstecken müssen, aus Angst vor homophoben Äusserungen und Reaktionen.»
Konkret benötigt queerAltern 30 zusammenhängende Wohnungen, von denen einzelne auch mit Ergänzungsleistungen bezahlbar sind. Denn viele homosexuelle Frauen seien nicht ihr Leben lang einer gut bezahlten Arbeit nachgegangen. «Natürlich auch nicht alle schwulen Männer», so die Vizepräsidentin.
Mauchs Regierung sieht keinen Handlungsbedarf
Was erstaunt: Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch (58, SP) weiss ihre Homosexualität zwar medienwirksam einzusetzen und sie lässt die Presse auch wissen, dass sie die Partnerschaft mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin hat eintragen lassen. Mehr Unterstützung als Sympathiebekundungen erhält das queerAltern-Projekt von ihr aber nicht.
Angesprochen auf die Stadtpräsidentin meint Bosshard diplomatisch: «Wir freuen uns, dass Corine Mauch uns ideell unterstützt. Um unser Projekt realisieren zu können, braucht es aber auch die materielle Unterstützung.»
Umdenken im Parlament
Nun aber könnte sich etwas tun in Zürich. Denn der Gemeinderat hat verschiedene Vorstösse von SP, Grünen, der Alternativen Liste und der GLP zu behandeln, die im Sinne des Vereins sind. Zusammen hätten die Parteien die Mehrheit im Stadtparlament. Wie Bosshard sind viele Politiker von Mitte-links der Meinung, dass «nicht nur in Berlin, Köln, Stockholm, Wien, Madrid, Sidney, Philadelphia und Chicago es dieses Bedürfnis gibt, sondern es auch in Zürich höchste Zeit ist, für einen Lebensort für queer alternde Menschen offen zu sein».
Das unterstreichen zwei Jubiläen im Juni, die in Zürich gefeiert werden: 25 Jahre Zurich Pride Festival und 50 Jahre Stonewall, der Ursprung der LGBTIQ-Bewegung.