Es ist wie im Gefängnis. Eine Stunde Freigang im Hof pro Tag. Den Rest der Zeit müssen Josua W. (24) und seine Schwester Lea (20) aus Bassersdorf ZH in ihrem Zimmer verbringen. Der Dachdecker und die Betreuungs-Fachfrau stecken wegen der Ausbreitung des Coronavirus seit Tagen mit sechs weiteren Schweizern im peruanischen Hochland fest. Dann werden zwei andere Gäste positiv getestet – und die Behörden stellen das ganze Hostel in Cusco unter Qurantäne.
Josua: «Es herrscht Essensknappheit, Panik und komplette Isolation.» Auf einem von der Schweiz organisierten Flug von der Hauptstadt Lima nach Zürich finden die Geschwister und ihre Leidensgenossen keinen Platz. Ausserdem seien die Strassen nach Lima gesperrt, heisst es in einem E-Mail des Schweizer Aussendepartements (EDA).
Alkohol verboten, nur noch eine Mahlzeit pro Tag
Von den Betreibern erfahren die Gäste, was die positiven Coronavirus-Fälle im Hostel im schlimmsten Fall für sie alle bedeuten: «Wir werden für drei Monate eingesperrt», sagt Josua zu BLICK. An Zeitvertrieb und ein bisschen Spass ist indes nicht zu denken. Alkoholkonsum etwa ist während der Quarantäne strengstens verboten. In einem vom Management verteilten Schreiben wird im Fall von Zuwiderhandlungen mit mehrjährigen Gefängnisstrafen gedroht. «Ich habe gehört, dass Hostels von der Polizei durchsucht werden.» Leute müssten Alkohol-Tests machen. «Wer Alkohol im Blut hat, wandert ins Gefängnis.»
Zur Gruppe der im Hostel festsitzenden Schweizer gehören auch Lehrerin Selina (26) aus Winterthur ZH, Praxis-Assistentin Fabienne (26) aus Luzern und Swiss-Flugbegleiterin Amrai (30) aus Zürich. Die restlichen drei wollen namentlich nicht genannt werden. Obwohl die Touristen aus der Schweiz sich gegenseitig nach Kräften unterstützen, wird die Stimmung im «Pariwana» von Tag zu Tag schlechter. Von den beiden Mahlzeiten, die normalerweise pro Tag verteilt werden, entfällt am Mittwoch plötzlich eine – die Gäste müssen ohne Frühstück bis zum Abend ausharren. «Zum Abendessen gab es dann eine Tasse süsse Quinoa und ein Brötchen», sagt Josua.
Sanitäre Anlagen werden mit 136 Leuten geteilt
Die Vorgaben, einen Meter Abstand zu halten, seien praktisch unmöglich einzuhalten. Die etwa 14 Quadratmeter grossen Zimmer seien durchschnittlich mit sechs Personen belegt. «Zudem teilen wir uns Duschen und Toiletten mit insgesamt 136 Leuten», erzählt der Dachdecker. «Die Ansteckungsgefahr ist immens.» Insbesondere macht sich Josua Sorgen um seine Schwester: «Sie ist starke Asthmatikerin und gehört somit zur Risikogruppe.»
Das EDA bemüht sich mit Hochdruck, im Ausland befindliche Schweizer in die Schweiz zurückzubringen. Wie Johannes Matyassy, Direktor der Konsularischen Direktion, am Donnerstag vor den Bundeshausmedien sagt, konnten bisher 1400 Schweizer repatriiert werden. Weitere Rückholaktionen befänden sich in Planung. Leider werde es jedoch nicht möglich sein, für alle blockierten Touristen eine Lösung anzubieten. So sei es zum Beispiel nicht möglich, einen Helikopter zu einer entlegenen Insel vor Venezuela zu schicken.
Langstreckenjets können nicht landen
Zur Situation der im Hostel «Pariwana» festsitzenden Gruppe sagt EDA-Sprecherin Elisa Raggi auf Anfrage von BLICK: «Das EDA bemüht sich weiterhin um Ausreisemöglichkeiten für die Schweizer, die sich in Cusco befinden.» Dabei gebe es jedoch einige praktische Herausforderungen.
So könne zum Beispiel der dortige Flughafen nicht von Langstreckenjets angeflogen werden. Raggi: «Ein Direktflug in die Schweiz ist daher nicht möglich.» Man arbeite eng mit anderen europäischen Staaten zusammen, die sich ebenfalls um die Repatriierung ihrer Bürger bemühten. «Dabei werden zurzeit verschiedene Optionen für eine Rückreise geprüft.»