Der Geruch von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln, leuchtende Kinderaugen und vor Freude kreischende Besucher auf den Bahnen: Erinnerungen an unbeschwerte, fast vergessene Tage. Die Corona-Krise hat das Chilbi-Treiben zum Erliegen gebracht.
Seither sind Schausteller wie der Zürcher Oberländer Patrick Meier (51) ohne Arbeit. «Das alles ist ein Alptraum, aus dem ich einfach nur schnell wieder aufwachen will», sagt Meier zu BLICK. Er ist Schausteller mit Leib und Seele. «Chilbis haben mich schon als Bub fasziniert», sagt er.
Corona hat Schausteller Strich durch die Rechnung gezogen
Vor acht Jahren hat sich Meier schliesslich selbstständig gemacht, ist seither mit seinen beiden Fahrgeschäften in der ganzen Schweiz unterwegs. Auch in diesem Jahr wäre er wieder an zahlreichen Chilbis anzutreffen gewesen. «Meine Saison hätte Anfang April mit der Chilbi in Volketswil und einem Engagement in Bellinzona gestartet», sagt Meier. Doch dann kam die Corona-Krise und mit ihr das Verbot für Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen.
Seither stehen Meiers Fahrgeschäfte, die er zusammen mit seiner Freundin betreibt, im Winterquartier in Wila ZH still. Und daran ändert sich wohl vorerst auch nichts. Denn wie der Bundesrat am Mittwoch entschieden hat, sollen lediglich Veranstaltungen mit bis zu 300 Personen ab dem 6. Juni 2020 wieder erlaubt sein, Zusammenkünfte von über 1000 Personen bleiben vorerst bis Ende August verboten. Der Schausteller aus Sternenberg ZH zeigt sich ob des Bundesrat-Entscheids ernüchtert.
«Ich will dem Bund nicht zur Last fallen»
«Eine Chilbi mit 300 Personen? Das entspricht ja nicht mal einer Dorf-Chilbi im Zürcher Oberland. Damit können wir nichts verdienen», sagt Meier. Der Schausteller ist wütend, vor allem ob dem neuerlichen Bundesratsentscheid in puncto Horizontal-Gewerbe. «Die Sexarbeiterinnen dürfen wieder arbeiten, Bordelle wieder öffnen, aber wir Schausteller nicht. Wir werden im Stich gelassen, wir sind die vergessene Sparte», zeigt sich Meier konsterniert.
Für Meier ist es nicht nach vollziehbar, warum das Sex-Gewerbe ihre Arbeit wieder aufnehmen darf. Schliesslich würde dort weniger Abstand gehalten werden, als auf den Fahrgeschäften. Für das Chilbi-Dilemma hat Meier keine Lösung parat, zumal er sich sicher ist, dass eine etwaige Zwei-Meter-Abstands-Regelung «extrem schwierig umzusetzen wäre». Finanziell würde sich das nicht lohnen: Da die Einnahmen mit dem Fahrgeschäft im Normal-Betrieb schon gerade nur «zum Leben reichen».
Doch Meier kämpft weiter. Der Zürcher Schausteller will arbeiten, sein Geschäft an den Chilbis betreiben: «Ich will dem Bund nicht zur Last fallen.» Doch mittlerweile habe er sein ganzes Erspartes aufgebraucht. «Ich bekomme gerade mal 91 Franken Tagespauschale vom Bund. Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein.»
«Herr Parmelin, wir bangen um unsere Zukunft»
Bereits Anfang Mai hat der Berufsverband der Schausteller und Markthändler in einem offenen Brief an Bundesrat Guy Parmelin und das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco die prekäre Lage in der Branche aufgezeigt. So sind die meisten Schausteller laut dem Verband kleine Familienbetriebe mit einem Jahresumsatz von 80’000 bis 90’000 Franken. Die Corona-Entschädigungen des Bundes würden da nicht ausreichen.
«Uns Schaustellern geht es allen gleich. Wir wissen langsam nicht mehr wie weiter», so Meier. Die Angst vor dem grossen Chilbi-Sterben wächst. Er ist verzweifelt, appelliert an den Wirtschaftsminister: «Herr Parmelin, wir Schausteller bangen um unsere Zukunft.» Meier hat jedoch wenig Hoffnung, dass er noch diesen Sommer wieder als Schausteller auf den Chilbis unterwegs sein wird. «Die Chilbi merkt man erst dann, wenn sie nicht mehr da ist.»